Ein schöner Symbolsieg

Mit 85 zu 81 Stimmen kam es beim Autoverbot für SozialhilfeempfängerInnen zu einer Kehrtwende. Nachdem die Mehrheit im Herbst das Auto faktisch verbieten wollte, besannen sich genügend Bürgerliche auf ihr Prinzip, unnötige Gesetze zu vermeiden. Die kantonalen Angestellten haben eine kleine Aussicht auf einen Vaterschaftsurlaub von 14 Tagen.

Faktisch spielt das Auto bei EmpfängerInnen von Sozialhilfe kaum eine Rolle. Auf einige Hundert schätzt der zuständige Regierungsrat Mario Fehr die Anzahl der BesitzerInnen eines eigenen Autos. Von diesen dürfte nach der vorgeschlagenen Regelung der SVP, der sich FDP und CVP anschlossen, ein beachtlicher Teil weiterhin Auto fahren: Wer es beruflich, aus Krankheitsgründen oder wegen einer Behinderung benötigt, erhält sogar eine Entschädigung dafür. Der geringe Grad der Automobilisierung hängt auch mit den bereits bestehenden Richtlinien zusammen. Das Auto gehört zum Vermögen. Wer als Alleinstehender eines besitzt, das mehr als 4000 Franken wert ist (bei Verheirateten 10 000 Franken), erhält erst Sozialhilfe, wenn der Erlös aus dem Autoverkauf bis auf 4000 Franken verbraucht ist. Wer das Auto am Mund seiner Kinder abspart oder seinen anderen Verpflichtungen (etwa Krankenkasse oder Miete) nicht nachkommt, muss schon heute mit einem Autoverbot rechnen. Vor allem in den Städten besitzt zudem das Auto nicht mehr jenen Stellenwert, als dass man zuletzt darauf verzichtet. Etliche RednerInnen wiesen darum darauf hin, dass hier etwas ohne praktische Bedeutung geregelt werden soll.

 

Das Autoverbot ist seit dem berühmten BMW-Fall in Zürich ein Steckenpferd von Claudio Schmid und seiner SVP. Dass ein Sozialhilfeempfänger säuft oder raucht, lässt sich schwerer als das Autofahren angreifen. Neben der Weckung von Emotionen gegen einen Staat, der für «Unnützes» Geld ausgibt und die Sozialhilfe zu einer bequemen Hängematte ausbaut, bezweckt diese Kampagne langfristig die Senkung der Sozialhilfe für den Einzelnen. Dies ist sicher der Hauptgrund, warum die FDP unter der neuen Sozialführung von Linda Camenisch auf diesen Zug aufsprang. Dass dabei das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit mit Füssen getreten wird, kümmert nicht gross. Vor allem, wenn man dabei dem neuen Grossfeind, der SKOS und ihren Richtlinien auf die Füsse treten kann.

 

Engagiertes Weibeln

Die Debatte im Kantonsrat verlief an diesem Montag gesittet. Silvia Seiz (SP) erinnerte daran, dass die Sozialhilfe keine Polizei sei: «Auch Sozialhilfebezüger haben ein Recht auf Eigenständigkeit und Freiheit.» Leider berief sie sich auch auf die SKOS-Richtlinien, was inhaltlich zutrifft, aber für die Grünliberalen derzeit ein Unwort ist. Für ihren Fraktionspräsidenten und die Fraktion mit drei Ausnahmen gehört es zum Liberalismus, dass jede(r) seinen Freibetrag nach eigenem Gutdünken verwenden darf. Sehr deutlich wurde Markus Schaaf für die EVP: «Warum soll Sozialbezügern ausgerechnet das Auto verboten werden; und nicht das Handy, Fast Food, TV oder Katzen?» Esther Guyer (Grüne) ärgerte sich über die FDP: «Ihr vergesst Euer liberales Credo.»

 

Gegen das Autoverbot machten fast alle GegnerInnen die bürokratischen Kontrollen geltend, die in keinem Verhältnis zum eventuellen Missbrauch stehen. Kaspar Bütikofer (AL) und Sicherheitsdirektor Mario Fehr wiesen auf die unsichere Rechtslage hin. Eine Klage eines Sozialhilfeempfängers habe wegen der Einschränkung der Persönlichkeitsrechte vor dem Verwaltungsgericht gute Chancen. Sie brachten für ihre Argumentation Urteile aus Graubünden und jüngst aus Basel. «Ausserkantonale Gerichte interessieren uns nicht», erwiderte Claudio Schmid. Was insofern nicht ganz unberechtigt ist, als es ziemlich viel braucht, bis das Verwaltungsgericht ein ausformuliertes und referendumsfähiges Gesetz als unrechtmässig erklärt. Auffallend war, dass die BefürworterInnen sich zurückhielten: Einzig dem zurücktretenden Willy Haderer (SVP) platzte der Kragen. Er beschuldigte die linke Ratsseite, sich jeder Diskussion über die Sozialhilfe und die SKOS-Richtlinien zu verweigern.

 

Für die Kehrtwende waren nicht neue Argumente, sondern eine intensive Arbeit der linken SozialpolitikerInnen und Fraktionschefs verantwortlich. Es gelang ihnen, einige zumindest auf ein Nichtstimmen zu verpflichten. 13 fehlende KantonsrätInnen sind für eine symbolisch so wichtige Abstimmung viel. Dieser schöne Erfolg der stillen Diplomatie darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zentrale Auseinandersetzung, der Austritt Zürichs aus der SKOS, noch aussteht und dass der gleiche Rat am Montag den Austritt angenommen hätte. Ausschlaggebend sind die Grünliberalen, die nicht um jeden Preis austreten wollen, aber eine Gesamtschau verlangen und überzeugt sind, dass sie dies mit einer Austrittsdrohung am besten erreichen. Den nächsten Pflock in dieser Auseinandersetzung schlägt die SKOS selber ein, wenn sie Ende Monat ihre Berichte und ihre Massnahmen vorschlägt.

 

Vom Tisch ist das Autothema vermutlich noch nicht. Claudio Schmid kündigte deutlich eine Volksinitiative an. Inhaltlich verursacht dies mit dem am Montag abgelehnten Gesetzesentwurf keine Arbeit mehr. Er muss lediglich die Mehrheit seiner Rennleitung von der Brauchbarkeit der Initiative für den Wahlkampf überzeugen. Emotional ist das Thema.

 

Vaterschaftsurlaub

Mit 63 Stimmen der Grünen, der SP und der CVP überwies der Rat ein dringliches grünes Postulat für einen Pikettdienst der Kesb. Bei der zweiten Behandlung in spätestens fünf Wochen wird es dafür keine Mehrheit geben. Die Chancen für einen Pikettdienst auf dem ‘normalen’ Weg bleiben intakt. Männliche Kantonsangestellte erhalten heute bei einer Geburt einen Urlaub von einer Woche und die nicht bedingungslose Möglichkeit, einen unbezahlten Monatsurlaub einzulösen. Mit einer Initiative verlangt Andreas Daurù eine Verdoppelung auf 14 Tage. Die Pro-Argumentation lief im Kern darauf hinaus, eine intensive Beziehung zu den Kindern nach der Geburt sei wichtig für die spätere Entwicklung des Kindes und der Partnerschaft. Die GegnerInnen widersprachen nicht grundsätzlich, sondern wehrten sich gegen eine Bevorzugung der Kantonalen und wiesen auf Bundeslösungen in Vorbereitung hin. Die 80 Stimmen für die Initiative zeigen, dass ein Klappen nicht ganz ausgeschlossen ist. Die Initiative von Thomas Marthaler (SP) für die Nichtanrechnung von Bussen bei der Besteuerungfand mit 59 Stimmen das Quorum für die Weiterbearbeitung mit einer Stimme nicht. Im Visier hatte der Initiant die Grossbanken. Fast einstimmig sprach sich der Rat für eine SVP-Initiative für tiefere Steuern für Veteranenautos aus, und gegen acht Stimmen wollte er nichts von einem Verbot der Strassenprostitution wissen, wie es die EDU vorschlug.

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