Ein scheinbar leichtes Spiel

Simon Senn führt in zwei Recherchearbeiten zu den Themen Virtual Reality und Künstliche Intelligenz vor, wie kinderleicht die private Anwendung davon ist.

Formal sind beide Präsentationen eher mager: Ein Vortragender drückt Knöpfe, und auf zwei Projektionsflächen passiert was. Inhaltlich sind sie indes sehr wohl eine Ergänzung zueinander. In «Arielle F» kauft sich Simon Senn einen 3D-Scan eines Körpers, der am ehesten seiner eigenen Postur entspricht. Als schmächtiger Mann wird er nur in der Frauenabteilung fündig. Die Kosten sind erschwinglich und, vom Verbot abgesehen, die Figur in irgend einen sexuell konnotierten Zusammenhang zu stellen, für jede weitere Verwendung offen, auch jede kommerzielle. Simon Senn beginnt – mit einer VR-Brille und Motion-Controls für die Hüfte, die Füsse und die Hände – die leere Hülle mit seinen Bewegungen zu beleben. Flugs den eigenen Kopf drauf montiert und wasauch­immer kann starten. Jetzt erlebt der junge Mann in der virtuellen Realität im Körper einer Frau eine als neutral wahrgenommene Irritation, die ihn teils bis in die Träume verfolgt. Und er beginnt sich Fragen zu stellen, für deren Beantwortung er sich (juristischen) Rat sucht. Das stellt sich als nicht eben einfach heraus, denn die globale Welt besteht aus länderspezifischen Rechtslehren. Zuletzt versucht er die reale Person hinter dem 3D-Modell ausfindig zu machen und sie danach zu fragen, wie wohl sie sich fühle, wenn er ihren virtuellen Körper als Anschauungsobjekt für wildfremde Personen verwendet. 

In «dSimon» erschafft er gemeinsam mit der Entwicklerin Tammara Leites einen auf der Open-AI GPT basierenden Chatbot. Respektive sie kaufen das Grundgerüst. Die beiden erklären, welche Versuche sie unternommen haben, die vermeintliche Grundintention, also eigentlich den Zugang zur Wortauswahl – es ist nämlich blosse Mathematik und keine Intelligenz – zu manipulieren, damit die künftigen Äusserungen annehmbar in Sachen Anstand werden. Sie erreichen ihr Ziel, können aber unmöglich erklären, wie und vor allem weshalb dies geglückt ist. Mit ein paar Klicks kann jeder Text automatisiert vorgelesen werden und nochmals ein paar Klicks weiter das eigene Selfie in ein vermeintlich lippensynchrones Bewegtbild verwandelt werden. Ein paar Versuche weiter endet die Demonstration mit einer scheinbar Sinn ergebenden Unterhaltung zwischen zwei menschenähnlich wirkenden Bots. Die Demonstration ist lehrreich bis teils auch recht amüsant. Als denkendes Hirn ist augenscheinlich, dass die vermeintlich grundlose Spielerei einmal vielleicht lustig ist, aber dafür macht sich ja niemand die Mühe, solche digitalen Programme zu entwickeln. Ohne Absicht, und diese dürfte sich jenseits einer hehren Menschenfreundlichkeit bewegen, ergibt dies alles überhaupt keinen Sinn.

«Arielle F», 24.2. und «dSimon», 26.2., Schauspielhaus, Zürich.

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