Ein Name mit Zukunft
Moira Pinkus ist seit kurzem Präsidentin der Stadtzürcher Juso. Sie trägt einen bekannten Nachnamen: Ihr Urgrossvater war der Zürcher Ur-Linke Theo Pinkus. Ob ihr der linke Aktivismus in die Wiege gelegt wurde?
Tobias Urech
Ich treffe Moira Pinkus in einem Wiediker Café, gleich vor der Haltestelle Zwinglihaus, wo sich die Buslinien 32 und 72 kreuzen und die geografischen Enden Zürichs miteinander verbinden. «In Zürich wurde ich geboren, in Wiedikon bin ich aufgewachsen und hier wohne ich immer noch», erzählt Moira. Letzten Sommer machte sie in Zürich Matur und arbeitet nun im Zwischenjahr für den MieterInnenverband.
Vor mir sitzt eine junge Frau, deren Gesichtszüge und unbändige schwarze Haare die Verwandtschaft mit ihrem Urgrossvater erahnen lassen. Kennen gelernt hat sie ihren berühmten Vorfahren allerdings nie. «Er starb 1991, fünf Jahre vor meiner Geburt.» Doch wie ihr Urgrossvater ist Moira durch und durch links. «Wir leben in einem Wirtschaftssystem voller Widersprüche, einem Wirtschaftssystem, das wir ändern müssen. Rassismus, Sexismus oder Homophobie sind alles Symptome einer ungerechten Wirtschaftspolitik.» Es sind visionäre Töne, die bei Moiras Ausführungen und Ideen mitschweben und sich auch durch Theo Pinkus’ Leben und Schaffen ziehen.
Ob ihr das Linkssein und der politische Aktivismus für eine gerechtere Welt wohl in die Wiege gelegt wurde? Bei Theo schien das damals nicht der Fall gewesen zu sein.
Kommunist aus gutem Hause
Theo Pinkus, genau wie seine Urenkelin in Zürich geboren, wuchs vor und während dem Ersten Weltkrieg als Sohn einer gutbürgerlichen jüdischen Familie aus Breslau auf. Er besuchte das Privatgymnasium Minerva, an dem sein Vater Lazar auch als Lehrer beschäftigt war – neben der Tätigkeit als Bankier. Seine Mutter, Else Flatau, war Schauspielerin. Obwohl eigentlich zur klassischen Bourgeoisie gehörend, interessierte sich Theo während seiner Zeit am Gymnasium für soziale Gerechtigkeit; er las Karl Marx, Friedrich Engels und Rosa Luxemburg und wurde Mitglied der sozialistischen Jugendbewegung. Via Jugendbewegung gelangte er zur Kommunistischen Partei (KPS), wo er sich mit seiner Frau Amalie De Sassi engagierte. Nach dem Ausschluss aus der KPS wegen Meinungsverschiedenheiten wechselten Theo und Amalie zur Partei der Arbeit (PdA). Doch Theos und Amalies Hauptvermächtnis bleiben die Studienbibliothek zur Geschichte der Arbeiterbewegung und der genossenschaftlich geführte Limmat-Verlag. Die Studienbibliothek war und ist eine Zürcher Institution für linke, politische Literatur.
Zeiten ändern sich
Mit so einem familiären Hintergrund müsste einem der linke Aktivismus doch wohl von Kindesbeinen mitgegeben worden sein. Moira verneint: «Theos und Amalies Kinder, dazu gehörte natürlich auch mein Grossvater, engagierten sich zwar ebenfalls in der PdA, so auch meine Grossmutter, doch meine Eltern sind nicht parteipolitisch aktiv.»
Zwar diskutiere Moira mit den Grosseltern ab und zu über Politik, doch das erst, seit sie sich selber aktiv engagiert. Sie habe nie Druck oder Erwartungen vonseiten ihrer Familienmitglieder verspürt. Auch sei ihr erst während der Zeit am Gymnasium bewusst geworden, dass sie einen für Zürichs Linke wichtigen Namen trägt. «Gewisse LehrerInnen haben mich darauf angesprochen, dass sie bei meinem Urgrossvater Bücher bestellt haben. Vorher war ich mir meines Namens gar nicht so bewusst.»
Seit drei Jahren nun ist Moira Juso-Mitglied, seit einem Jahr im Vorstand und neuerdings Präsidentin der Stadtzürcher Juso-Sektion. Warum sie denn nicht bei der PdA gelandet ist, wo das doch Familientradition zu sein scheint, will ich wissen. «Ich kann mich zu wenig mit der PdA identifizieren, vor allem was politische Methodik betrifft. Der Zeitgeist heute ist ein anderer als vor vierzig, fünfzig Jahren.» Ob sie mit dem Begriff Kommunismus etwas anfangen könne? «Wenn unter dem Begriff Kommunismus eine Gesellschaft verstanden wird, die sich solidarisch organisiert und keine Unterschiede zulässt, würde ich mich schon als Kommunistin bezeichnen. Aber man muss vorsichtig sein mit solchen Begriffen, da sie im Laufe der Geschichte schon für verschiedenste politische Ideen verwendet wurden und unterschiedliche Bilder hervorrufen. Deshalb finde ich Inhalte viel spannender und relevanter als Begriffe. Der Kommunismus zur Zeit meines Urgrossvaters kämpfte mit ganz anderen Herausforderungen als heute. Ich bin beispielsweise keinesfalls dafür, den Staat zu schwächen oder abzuschaffen, wie es die KommunistInnen fordern. Wir brauchen eine moderne Politik, die angemessen ist für die heutige Zeit. Deswegen müssen wir aus der Vergangenheit lernen und nicht stehen bleiben!»
Auf die Frage, was die Juso Stadt Zürich momentan umtreibe, antwortet Moira: «Wir haben erfolgreich unsere städtische Initiative für ein Zentrum zum Kulturaustausch eingereicht. Der Stadtrat hat mit seinem Gegenvorschlag zur Initiative erkannt, dass es sich dabei um ein wichtiges Anliegen handelt. Leider ist der Gegenvorschlag eine absolute Minimalvariante.»
Zur weiteren Strategie – ob die Juso die Initiative zurückziehen möchte oder einen allfälligen Abstimmungskampf gegen den rot-grünen Stadtrat in Kauf nehmen will – will Moira nicht zu viel sagen. «Ein Rückzug der Initiative steht für uns im Moment nicht zur Debatte. Wir sind gespannt auf den Verlauf der Debatte im Gemeinderat.»
Und wohin soll es persönlich gehen? «Ab Herbst studiere ich an der Universität Zürich Geschichte und Latein. Und natürlich werde ich mich weiterhin in der Juso und wohl auch vermehrt in der SP engagieren. Ich bin offen für alles, was auf mich zukommt.»