Ein Blankocheck von 24 Milliarden Franken für neue Kampfjets?
Letzte Woche informierten VertreterInnen von SP, Juso und GSoA an einer Medienkonferenz in Bern über das Referendum gegen die Kampfjetbeschaffung. Warum es dieses braucht, erklärt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission, im Gespräch mit Nicole Soland.
Worum genau geht es beim Kampfjet-Referendum?
Priska Seiler Graf: In der Wintersession 2019 hat das Parlament den Planungsbeschluss des Bundesrats gutgeheissen und dem Kauf neuer Kampfjets zugestimmt. Damit sagten die eidgenössischen Räte Ja zu sechs Milliarden Franken für neue Luxus-Kampfjets. Die SP hat zusammen mit den Juso, den Grünen, den Jungen Grünen, der GSoA, dem Friedensrat, Greenpeace, den Frauen für den Frieden und weiteren Organisationen das Referendum gegen die Kampfjet-Beschaffung ergriffen. Die zwei Bodluv-Milliarden hingegen waren nicht Bestandteil der Diskussion, da der Bundesrat sie aus dem ursprünglichen Planungsbeschluss herausgenommen hat. Sie werden aus dem normalen Armeebudget bezahlt.
Was spricht gegen die Kampfjet-Beschaffung?
Zuerst einmal handelt es sich bei der stolzen Summe von sechs Milliarden Franken lediglich um ein «Kostendach». Das heisst, je nachdem, für welchen Typ Kampfjet man sich entscheidet, können mehr oder weniger Jets gekauft werden. Dass wir Geld bewilligen sollen, ohne zu wissen, welcher Typ Flugzeug schliesslich beschafft wird, ist wohl Absicht: Den Kauf des ‹Gripen› haben 53,4 Prozent der Stimmenden am 18. Mai 2014 nicht zuletzt deshalb abgelehnt, weil sie überzeugt waren, dass der ‹Gripen› der falsche Flieger für die Schweiz gewesen wäre. Für die Beschaffung von ‹Gripen›-Kampfjets waren zudem ‹nur› 3,1 Milliarden Franken budgetiert, also knapp die Hälfte des Betrags, den wir nun ausgeben sollen.
Ein zu hoher Kostenrahmen lässt sich doch nach unten korrigieren.
Die sechs Milliarden Franken sind leider nicht die ganze Wahrheit. Die bürgerliche Stiftung Lilienberg Unternehmerforum rechnet in einem Positionspapier vor, dass die Beschaffungskosten neuer Kampfjets nur einen Viertel der Kosten über die gesamte Lebensdauer ausmachen. Der Kostenrahmen müsste folglich so angegeben werden: 25 Prozent Beschaffungskosten von 6 Milliarden Franken, 25 Prozent Treibstoffkosten, 25 Prozent Instandhaltung und 25 Prozent Upgrades und Kampfwertsteigerung. Damit beläuft sich die Rechnung für die SteuerzahlerInnen auf total 24 Milliarden Franken.
Laut Bundesrat ist die Typen- und Kostenfrage zurzeit das kleinere Problem: Es gehe schlicht darum, ob wir unsere Luftsicherung erhalten oder ersatzlos streichen wollen, mahnt er.
Die Bürgerlichen wollen die Typenfrage der politischen Diskussion entziehen. Sie machen das geschickt: Sie sagen, «wir sind keine Spezialisten und sollten deshalb auch nicht politisch argumentieren und beschliessen, sondern besser die Fachleute entscheiden lassen». Damit verkommt der Planungsbeschluss zum 24-Milliarden-Blankocheck. Die Fachleute ihrerseits würden, wen wunderts, am liebsten das neuste und teuerste kaufen, konkret ihren Traumflieger F35-A des amerikanischen Herstellers Lockheed Martin. Dieser Tarnkappenbomber wäre jedoch für schweizerische Verhältnisse völlig überrissen. Zudem darf die Informatik für diesen Flieger nur von den USA betrieben werden. Wir kämen in eine totale Abhängigkeit von Amerika, wir wären quasi als blinder Passagier gebucht, und die Amerikaner könnten unsere Kampfjets auf Knopfdruck ausschalten oder gar vom Himmel holen.
Diese Abhängigkeit war doch bereits bei der Beschaffung der aktuellen Kampfjets, der FA/18 ein Thema – doch offensichtlich gab es deswegen bislang keine Probleme.
Dass die politische Komponete dieses Mal in der Öffentlichkeit (noch) kein Thema ist, beweist noch lange nicht, dass es keine Probleme gäbe. Obendrein sprechen ja auch noch andere sicherheitspolitische Gründe gegen den Kauf von F35-A-Kampfjets.
Welche?
Die Schweizerische Nationalbank SNB hat die Herstellerfirma Lockheed Martin aus ihrem Anlageportfolio ausgeschlossen, weil sie international geächtete Waffen herstellt. Laut schweizerischem Kriegsmaterialgesetz ist die direkte Finanzierung von verbotenem Kriegsmaterial illegal. Darunter fallen nach Schweizer Recht auch Atomwaffen – und in deren Produktion ist Lockheed Martin ebenfalls verwickelt. Kauft die Schweiz dort für sechs Milliarden Franken Kampjets ein, finanziert sie folglich einen Konzern, der international geächtete Waffen sowie Atomwaffen produziert.
Die Schweizer Armee kauft auch israelische Drohnen, die nur in Israel gewartet werden dürfen. Offenbar lassen sich solche Abmachungen in diesem Business nicht vermeiden.
Und wenn schon: Es wäre immer noch besser, Kampfjets bei europäischen Herstellern einzukaufen, sprich in geografischer und kultureller Nähe, als in Donald Trumps Amerika: Was, wenn der als unberechenbar bekannte Präsident Trump plötzlich beschliesst, gewissen Staaten die Nutzung von US-Kampfjets zu verbieten – und aus der Ferne deren Software deaktivieren lässt?
Sagen Sie und sagt das Referendumskomitee tatsächlich aus den genannten Gründen Nein? Oder wollen Sie bloss nicht zugeben, dass Sie ganz einfach grundsätzlich gegen neue Kampfjets sind?
Diesen Vorwurf müssen wir uns gefallen lassen: Es gibt viele Menschen in der Schweiz, die keine neuen Kampfjets wollen. Ich denke, dass wir im Verteidigungsfall ein paar brauchen; die Frage ist jedoch, wieviele – und für wie viel Geld. Sechs Milliarden Franken sind definitiv zu viel.
Wir haben uns deshalb schon vor dem Ja der Parlamentsmehrheit Gedanken über ein Alternativkonzept gemacht. Dieses sieht die Beschaffung von leichten Jets für eine Milliarde Franken vor. Diese Flugzeuge würden für den Luftpolizeidienst bestens reichen.
Aber man kann damit längst nicht alles machen, was mit neuen Kampfjets möglich wäre.
Das ist so, doch das wäre kein Problem: Für Ernstfälle könnte man die FA/18 einsetzen, die unsere Luftwaffe ja nach wie vor besitzt.
Laut Bundesrat erreichen diese im Jahr 2030 das Ende ihrer Lebensdauer.
Unsere Flugzeuge werden sehr gut gewartet, und ich vertraue darauf, dass das auch in Zukunft der Fall ist. Zudem haben wir FA/18 des Typs C/D aus den späten 1990er-Jahren. Andere Länder wie z.B. Kanada haben immer noch FA/18 des älteren Typs A/B in der Luft. Die Amerikaner haben bereits bekanntgegeben, dass Erneuerungsprogramme für die Typen C/D auch weiterhin zur Verfügung gestellt werden. Dies rührt nicht zuletzt daher, dass den Amerikanern die F35 zu teuer sind, auch was Unterhalt und Kerosinverbrauch betrifft, und sie deshalb ihre FA/18 selber länger betreiben möchten als ursprünglich vorgesehen…
Die FA/18 könnten demnach noch länger fliegen als bis 2030?
Beim angeblich fixen Ablaufdatum der FA/18 handelt es sich um eine ochestrierte Drohkulisse der Kampfjetkauf-BefürworterInnen. Auch Berichte über häufige Reparaturen an FA/18 nehmen interessanterweise ausgerechnet jetzt zu. Dabei sind diese Jets derart starken Kräften ausgesetzt, dass es stets etwas zu reparieren gibt und es folglich ganz normal ist, dass jeweils der grösste Teil der Flotte zwecks Unterhalt im Hangar steht.
Dennoch wären auch künftig genügend Flugzeuge einsatzbereit, um den Schweizer Luftraum zu überwachen?
Das wäre kein Problem. Es gibt pro Jahr etwa 200 bis 350 Einsätze im Rahmen des normalen Luftpolizeidienstes. Darunter fallen Flüge, bei denen beispielsweise geprüft wird, ob ein Flugzeug, das sich in unserem Luftraum befindet, das Fahrwerk richtig einziehen konnte, also Hilfe- und Kontrollleistungen, keine Aufholjagden. Zu sogenannten Hot Missions, also Flügen, bei denen beispielsweise ein unerlaubtes Eindringen in unseren Luftraum oder ein ähnliches Vergehen vermutet wird, kommt es zirka zehn- bis vierzigmal pro Jahr. In den allermeisten Fällen braucht es folglich keinen ausgeklügelten, angriffstauglichen Kampfbomber; ein leichter, günstiger Jet tut es auch.
Schätzen Sie auch die Bedrohungslage anders ein als die Kampfjet-BefürworterInnen?
Wir müssen uns tatsächlich überlegen, wie wir den Begriff Sicherheit definieren und wofür wir uns rüsten wollen. Angriffe von Cyber-Kriminellen bilden künftig möglicherweise realistischere Bedrohungsszenarien als Nachbarstaaten, die damit drohen, uns militärisch anzugreifen. Kommt hinzu, dass sich in aktuellen Kriegen zeigt, dass weniger Bomben eingesetzt werden, dafür mehr Raketen mit unterschiedlichen Reichweiten. Um solche unschädlich zu machen, braucht es keine Kampfjets, sondern gute Bodluv-Systeme. Und im unwahrscheinlichen Fall, dass sich ein feindliches Flugzeug tatsächlich durch den ganzen Nato-Raum rund um uns herum kämpft und schliesslich in den Schweizer Luftraum eindringt, dürften wir sowieso andere Sorgen haben… Deshalb müssen wir uns überlegen, ob wir wirklich das Richtige kaufen für unseren kleinen Schweizer Luftraum: Immerhin sind wir hier, um es mit den Worten von Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli zu sagen, «umzingelt von Freunden».
Dennoch: Schon den Gripen abzuschiessen, war nicht einfach. Wie wollen Sie dieses Referendum gewinnen?
Wir haben tatsächlich keine so schöne Ausgangslage wie beim Gripen: Gegen diesen Jet waren auch Persönlichkeiten aus Mitte-Parteien. Sogar im Departement des damaligen Verteidigungsministers Ueli Maurer gab es kritische Stimmen, die an die Öffentlichkeit drangen – für uns war das eine komfortable Situation. Doch wir geben auch dieses Mal alles, wir wollen einen aktiven Abstimmungskampf führen und den Stimmberechtigten vor allem klarmachen, dass wir das viele Geld besser für anderes gebrauchen könnten, beispielsweise für die AHV oder das Gesundheitswesen.
Wie begegnen Sie der Kritik, die SP sei nicht nur gegen Kampfjets, sondern wolle gleich die ganze Armee abschaffen? Immerhin steht dieser Wunsch seit 2010 im Parteiprogramm der SP Schweiz.
Es wäre schön, wenn wir auf eine Armee verzichten könnten, doch so, wie sich die Welt heute sicherheitsmässig präsentiert, ist das leider nicht möglich. Das heisst umgekehrt aber nicht, dass wir für die Armee und alle Beschaffungsvorlagen sein müssen, koste es, was es wolle: Wir wünschen uns eine moderne Armee, die gegen die realen Risiken der heutigen Zeit gerüstet ist, insbesondere auch gegen Cyber-Angriffe. Wir unterstützen zudem nach wie vor die militärische Friedensförderung, wie sie die Schweiz beispielsweise im Kosovo betreibt. Was die Kampfjet-Vorlage betrifft, haben wir im Vorfeld viel Zeit und auch Geld in unser Gegenkonzept investiert. Diese Mühe hätten wir uns erspart, wenn es uns einfach nur darum ginge, Nein zu sagen.
Zum Schluss noch eine Frage zum Zivildienst: Der ist offenbar so beliebt, dass der Armee deshalb der Nachwuchs fehlt – oder wo genau liegt das Problem, beziehungsweise weshalb unterstützt die SP Schweiz das Referendum «Rettet den Zivildienst!»?
Tatsächlich nahm die Zahl der Zivildienstleistenden stetig zu, doch in den Jahren 2018 und 2019 ist sie wieder leicht gesunken. Davon, dass der Zivildienst der Armee die Leute wegnimmt, kann aber keine Rede sein. Ich verstehe, dass es die Armee ärgert, wenn sie Leute ausbildet und diese dann nach Abschluss der Rekrutenschule in den Zivildienst wechseln wollen. Doch anstatt deshalb den Zivildienstleistenden das Leben schwer zu machen – der Zivildienst soll beispielsweise für ehemalige Armeeangehörige stark verlängert werden –, sollte sie sich besser fragen, was die jungen Männer in der Armee wohl so frustriert hat, dass sie nach der Rekrutenschule abgesprungen sind. Die parlamentarischen Beratungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Falls die schlimmsten und unserer Meinung nach auch völkerrechtswidrigen Massnahmen im Gesetz besteht bleiben, dann ergreifen wir das Referendum, und ich denke, dass wir es gewinnen dürften.