Ein Abend der Peinlichkeiten

“Irgendwo gibt es eine rote Linie, und die wurde bei der Kulturverordnung überschritten, sodass wir sie ablehnen mussten.” Markus Steiner, SP-Co-Präsident und Präsident der vorberatenden Kommission des Stadtparlamentes, wird deutlich, wenn es um die letzte Sitzung des Winterthurer Stadtparlamentes dieser Amtszeit geht. Auch zum Thema Schulbehördenorganisation leistete sich das Stadtparlament nochmals einiges an Peinlichkeiten.

 

Matthias Erzinger

 

Während der FC Winterthur in Wil seine letzte Chance um einen Aufstieg in die «Nati A» mit einem Unentschieden vermutlich verspielte, leistete sich das Winterthurer Stadtparlament, respektive vor allem die FDP, die konservative Mitte und die GLP, zum Abschluss der Amtszeit einen Abend voller Peinlichkeiten und Frustfouls.

 

Parlamentarischer Putschversuch

Da war zuerst die Sache mit der Schulbehördenorganisation. Nachdem die Stimmberechtigten vor rund einem Jahr mit grossem Mehr einer Neuoganisation der Schulbehörden zugestimmt hatten, war zwischen der konservativen Mitte und der FDP einerseits und dem Departement Schule andererseits ein Hickhack bezüglich der Umsetzung der neuen Organisation entstanden. Dies gipfelte schliessslich im März in einem Beschlussantrag des Juristen und Präsidenten der Aufsichtskommission, Felix Helg, und seinem Fraktionspräsidenten und Juristen Urs Hofer. Die beiden forderten, dass die neu gewählte Schulbehörde bereits vor Beginn ihrer Amtszeit mitbestimmen könne. Nicht nur dass damit eine rechtlich absurde Situation mit zwei aktiven Behörden entstanden wäre, stellte der Vorstoss auch ein eigentliches Präjudiz dar und hätte die Kompetenzen massiv von der Exekutive zum Parlament verschoben. Inte­ressant war, dass dieses Frustfoul nach dem vergeblichen Angriff auf die Stadtratsmehrheit der Bürgerlichen im Stadtparlament eine Mehrheit fand, indem sich auch die GLP von der populistischen Argumentation der Verfasser übertölpeln liess. Einzig SP und Grüne äusserten damals klare Worte und bezeichneten das Vorgehen als untragbar. Der dilettantische Vorstoss der beiden Juristen wurde entsprechend überwiesen.

Allerdings wurde gegen diesen Beschlussantrag eine Stimmrechtsbeschwerde beim Bezirksrat eingereicht. Dieser Beschwerde wurde innert kurzer Frist stattgegeben. Insbesondere wurde die Kompetenzverschiebung zugunsten des Parlamentes als unzulässig bezeichnet. Am Montag nun debattierte das Parlament, ob der Entscheid ans Verwaltungsgericht weitergezogen werden soll. In dieser Debatte war aber nicht etwa die Rüge am peinlichen Vorgehen der FDP-Parlamentarier das Hauptthema, sondern erneut wurde Stadtrat Jürg Altwegg attackiert. Dieser konterte, dass die Umsetzung der neuen Schulbehördenorganisation auch ohne den Vorstoss festgelegt worden sei. Allerdings verzichtete das Parlament angesichts der Deutlichkeit des Bezirksratsentscheides dann doch auf einen Weiterzug.

 

Kulturverordnung scheitert

Nach der Behandlung in der Kommission hatte es ausgesehen, wie wenn die «Kulturstadt» Winterthur mit einer Verordnung zur Kulturförderung endlich eine gesetzliche Grundlage für selbige erhalten würde. «Zwar war uns die Verordnung an sich zuwenig griffig und zu stark auf den Status quo ausgerichtet», meint etwa Stadtparlamentarier Benedikt Zäch (SP). «Im Sinne eines Kompromisses waren wir aber bereit, die Vorlage anzunehmen.» 

In der Debatte wurde die Kommissionsvorlage durch eine Mehrheit aus FDP, GLP und der konservativen Mitte weiter verwässert. Interessant war dabei vor allem die Haltung der konservativen Mitte, hatte diese doch angekündigt, die Kommissionvorlage zu unterstützen. In der Debatte nun drehte sich der Wind, und auch die Mitte-Fraktion unterstützte die FDP-Forderungen. «Während an vielen Stellen in der Verordnung mit ‹Kann›-Formulierungen der Inhalt aufgeweicht wurde, wurde ausgerechnet bei den Kürzungsmassnahmen der Inhalt verschärft», so Markus Steiner, Kommissionspräsident und SP-Co-Präsident. «Dem konnten wir nicht mehr zustimmen.»

Und so wurde die Verordnung schliesslich von SP, Grünen und einem Teil der SVP mit 32 zu 21 Stimmen beerdigt. Ein eigentliches Debakel stellt dieses Resultat auch für Stadtpräsident Michael Künzle (Mitte) dar, der sich sehr viel Zeit für die Erarbeitung der Verordnung gelassen hat, und nun trotzdem ausgerechnet am Stimmungswechsel in seiner Fraktion scheiterte.

 

Und nun?

Seit zehn Jahren wird in Winterthur über eine gesetzliche Grundlage der Kulturförderung diskutiert. Dem Stadtpräsidenten wird in dieser Beziehung nicht viel zugetraut. «Wichtig ist, dass wir dafür sorgen, dass schnell eine neue Vorlage kommt, die mehrheitsfähig ist», hält Markus Steiner fest. «Dazu müssen wir auch das Gespräch mit unseren Leuten in der Stadtregierung suchen, um sie von der Dringlichkeit zu überzeugen.» Auch die AL forderte die Mitteparteien dazu auf, zusammen mit den Linken für einen konstruktiven Neuanfang zu sorgen. 

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