- Im Kino
Eigenständig
Mit 93 Jahren kann doch eine Frau wie Thelma (June Squibb) kein eigenständiges Leben mehr führen. Das Ehepaar Gail (Parker Posy) und Alan (Clark Gregg) ist selbst dermassen mit der Überwindung seiner Befürchtungen beschäftigt, dass es ihren Sohn Ben (Richard Roundtree) damit betraut, sich vollumfänglich um das Wohlergehen seiner Oma zu kümmern. Ungefragt notabene. Und auch, weil ihr spät immer noch nicht flügge gewordener Spross aus dieser Aufgabe vielleicht endlich ein Selbstbewusstsein entwickeln kann. Dass sie beiden es sind, die ihrem familiären Umfeld in seiner Entwicklung im Weg stehen, sehen sie natürlich nicht. Dann fällt Thelma auf einen Enkeltrickbetrüger herein. Aus Furcht um das Wohl ihres Enkels bezahlt sie und verschickt das Geld per Post. Und liefert ihren Kritiker:innen damit auch gleich den Beweis, dass sie jetzt wirklich nicht weiter auf sich allein gestellt leben können wird. Doktor Google kennt die furchteinflössendsten Diagnosen, die alle zutreffen könnten. Doch nur, weil Thelma nicht auf Anhieb erklären kann, wie ein Computer im Kern funktioniert und bei weiteren Anforderungen der Digitalisierung hin und wieder Hilfe braucht, ist sie weder gewillt, sich auf dem Abstellgleis parkieren zu lassen, noch das ergaunerte Geld als für immer verschwunden abzubuchen. Also los. Rundtelefonieren und herausfinden, dass die meisten ihrer Freund:innen schon nicht mehr leben. Daniel (Fred Hechinger), der Witwer ihrer ehemals besten Freundin, hat sich in ein Altersheim bequemt und rühmt die Vorzüge der dortigen Rundumversorgung. Stolz zeigt er Thelma seinen Zweisitzer-Elektroscooter. Dass ihn Thelma kurzerhand stiehlt, um sich eigenmächtig zuerst sicherheitshalber zu bewaffnen und danach den Übeltätern zu Leibe zu rücken, konnte er sich ja nicht vorstellen. Also hinterher.
«Thelma» ist mehr Gesellschaftssatire als Krimi, aber darin dafür regelrecht trefflich.
«Thelma» spielt in den Kinos Abaton, Capitol, Frame, Houdini.