- Kultur
Eigennutz
Tonfall und Erzählweise von «Tamina – Wann war es immer so?» von Beat Oswald («Golden Age») sind leider zum Abgewöhnen paternalistisch. Was das aktive inhaltliche Hinhören unnötig erschwert. Dabei sind die offensichtlich zahlreichen Ausflüge des Filmers ins sogenannte Heidiland, was als touristischer Flurbegriff ja bereits von einer unsäglichen Verklärung zeugt, und die Unterredungen mit zahllosen Menschen mit verschiedenen Ansichten, Meinungen, Bedürfnissen und auch Begehren für ihren Aufenthalt vor Ort ziemlich klug darauf angelegt komponiert, dass die Unauflöslichkeit des Widerspruchs von selbst in den Vordergrund tritt. Als Dreh- und Angelpunkt wählt Beat Oswald den aktuellen Inbegriff eines Wildtieres, den Wolf, wobei er seine Gedankenausflüge zum Glück nicht dort festfahren lässt, sondern sie ins sehr viel Allgemeinere überführt. Ob der Jäger, der den Rückzug des Wildbestandes auf grössere Höhen beklagt, die Naturkräfte einsammeln wollende Städter:innenschar oder die Familienfrauen und Mütter, die viel Energie darauf verwenden, dass das Dorf nicht vollends sozial ausstirbt, jede Perspektive wirkt glaubhaft und berechtigt. Die tendenziöse Ausflucht, die im Untertitel steckt, wenns nur wieder wie früher wäre, gebärde sich das Dasein wieder sehr viel einfacher und widerspruchsfreier, lässt er nicht nur nicht gelten, sondern stellt in einer kleinen Tour d’horizon zum Beispiel die zivilisatorische Erschliessung dieses abgeschiedenen Bergtals zwecks Ernergiegewinnung mit all ihren unangenehmen Begleiterscheinungen der zuerst dort oben vorgeherrscht habenden bitteren Armut gegenüber. Das also war schon mal früher nicht besser. Letztlich läuft seine Fragestellung sehr generell darauf hinaus, was der Mensch an sich eigentlich für eine Vorstellung davon habe, wer er sei und welche Berechtigung die daraus erwachsenden Anspruchshaltungen bei Licht betrachtet überhaupt habe.
«Tamina – Wann war es immer so?» spielt in den Kinos Le Paris, Movie.