Eigenmächtig Wanderweg betoniert

Auf einem Wander- und Feldweg im Horgenberg hat die Gemeinde Horgen massive Betonfahrspuren eingebaut – ohne Bewilligung des Kantons und deklariert als blosse «Instandsetzungsmassnahme». Dafür wird der Gemeinderat jetzt aufgrund einer Aufsichtsbeschwerde von Baudirektor Martin Neukom (GP) zurechtgewiesen und muss ein Bewilligungsgesuch nachreichen.

 

Arthur Schäppi

 

Hier eine kleine Wegverstärkung mit Rasengittersteinen, dort ein ganzer Naturweg, der geteert wird. Immer mehr Wanderwege werden durch Hartbelag entwertet. Auf Kosten des Erholungswertes und der Natur – und zugunsten des motorisierten Verkehrs und oft auch mit der Begründung, dass damit Unterhaltskosten gespart werden könnten. Aus Wanderlust aber kann da schnell einmal Wanderfrust werden. Solch härtere Zeiten für Fussgänger sind auch auf einem offiziellen, mit gelben Rhomben markierten Wanderweg zwischen den Ortsteilen Arn und Horgenberg in Horgen angebrochen: auf der Hinterrütistrasse, die etwas oberhalb des Horgner Autobahnanschlusses von der Zugerstrasse durch Landwirtschafts- und Erholungsgebiet zum Aussichtspunkt Simmismoos im Horgenberg ansteigt. Auf der rund 900 Meter langen Strecke, wo für Motorfahrzeuge ein Fahrverbot gilt und nur der «Zubringerdienst gestattet» ist, führt der Wanderweg in der unteren Hälfte zwar schon seit vielen Jahren über Asphalt.

 

Zu zwei Dritteln zubetoniert

 

Im oberen Abschnitt aber blieb der Charakter eines Feldweges mit Kiesunterlage zumindest vorerst gewahrt. Weit weniger frohgemut als die Aussicht auf den Zürichsee oder den Säntis stimmt nun aber dort die Wanderer der Blick auf den Boden unter ihren Füssen. Auf einer Länge von rund 400 Metern ist hier der einstmalige Kies- und Flurweg zu einem gerade mal noch 90 Zentimeter schmalen Mittelstreifen aus Kies geschrumpft. Beidseits davon wurden dafür zwei massive Betonbänder von jeweils ebenfalls 90 Zentimetern Breite in den Boden eingelassen. Gedacht als Fahrspurverstärkung für den motorisierten Verkehr. Damit ist die Wegfläche dort nun zu zwei Dritteln zubetoniert.

Vorgenommen wurden die Bauarbeiten ausserhalb des Siedlungsgebiets 2016 sowie im Frühjahr 2018 durch die Gemeinde als Besitzerin der Strasse. Und zwar ohne vorherige Ausschreibung.

 

Als «Instandsetzung» ausgegeben

 

Als sich ein Horgner Biologe und Geschäftsführer eines Umweltbüros während den laufenden Arbeiten von 2018 bei der Gemeinde nach der Baubewilligung erkundigt hatte, erhielt er vom örtlichen Strasseninspektorat zur Antwort, dass es eine solche gar nicht brauche, zumal es sich lediglich um eine «Instandsetzungs- und Unterhaltsmassnahme» handle. Jetzt aber hat der Biologe mit einer Aufsichtsbeschwerde Recht, und der Horgner Gemeinderat Post vom kantonalen Baudirektor Martin Neukom (GP) bekommen. In dem Schreiben, das P.S. vorliegt, muss sich die Gemeinde nun vom Regierungsrat belehren lassen, dass es sich bei den Strassenarbeiten keineswegs bloss um eine Instandsetzungsmassnahme handle. Vielmehr gelte der Belagseinbau gemäss kantonalem Raumplanungsgesetz als «Änderung einer Anlage», wofür ausserhalb der Bauzone – wie im vorliegenden Fall – vom Kanton eine Ausnahmebewilligung eingeholt werden müsse. Auf Geheiss der Baudirektion muss Horgen nun ein entsprechendes Gesuch beim Kanton nachreichen. Unter Einbezug der Fachstelle für Fuss- und Wanderwege des Amtes für Verkehr werde man dabei auch prüfen, ob der Belagseinbau im Einklang mit dem Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege (FWG) stehe, lässt der Regierungsrat die Horgner Behörde wissen. Und hält dazu wörtlich fest: «Ein wichtiges Ziel des FWG ist es, den Einbau von Hartbelägen auf Wanderwegen zu verhindern.»

In ihrer Stellungnahme zur Aufsichtsbeschwerde hatte die Gemeinde den Einbau der Betonbänder auch damit gerechtfertigt, dass das starke Gefälle des Kiesweges häufig und namentlich bei starken Regenfällen zu Ausschwemmungen und erheblichen Schäden geführt habe. Weshalb die sichere Zufahrt zu mehreren Liegenschaften nicht mehr gewährleistet gewesen sei.

 

Zürcher Wanderwege erwägen Einsprache

 

Auf Anordnung des Kantons muss die Gemeinde nun mit Frist bis 31. Januar 2020 auch das bislang fehlende Strassenprojektverfahren einschliesslich Publikation und Projektauflage nachholen. Womit die Einsprachemöglichkeit der anerkannten Fachverbände, wie etwa der Zürcher Wanderwege (ZW), doch noch gewahrt bleibt. Und dort ist man über den eigenmächtigen Belagseinbau alles andere als erfreut. «Solche Fälle kommen leider immer wieder vor», klagt Christoph Roth, Technischer Leiter bei den ZW. Umso wichtiger sei es, dass der Regierungsrat geltendes Recht durchsetze. «Und sollte der Kanton den Belagseinbau nachträglich absegnen, werden wir voraussichtlich Einsprache erheben», stellt Roth in Aussicht.

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