- Im Kino
Durchatmen
Gewissheiten können sehr wohl aus dem Ungefähren entstehen und sich als solche sonnenklar manifestieren, obschon alle reihum vielsagend wissend darüber schweigen und sich einhellig entsprechend verhalten. Klar ist in Christian Petzolds «Miroirs No. 3», dass sich Laura (Paula Beer) nicht als karrierefördernde Beistellfrau für einen Bootsausflug mit dem Chef ihres Lovers instrumentalisieren lassen will. Klar ist auch, dass Laura als Stellvertreterin für eine jung verstorbene Tochter der Alleinlebenden Betty (Barbara Auer) nicht deren Rolle ausfüllen wird. Ausgesprochen im Sinn einer konfrontativen Aussprache wird beides nicht. In eine Rolle wird Laura ungefragt gepresst, in die andere Rolle fürsorglich eingeladen.
Der Unterschied liegt im Kern darin, dass sich das jeweilige Gegenüber in der jeweiligen Situation überhaupt dafür interessiert, wonach Laura der Sinn steht. Beides sind es soziale Konstrukte, in die sie ursächlich eingewilligt hat. Und die mit Erwartungen von aussen verbunden sind. Die beide aus einer individuellen Perspektive gleichermassen existenziell sind und für einen Durchbruch stehen.
Jakob (Philipp Froissand) strebt nach vorne in eine berufliche Zukunft, Betty strebt nach einem Zurück in die soziale Reintegration. Laura ist in beiden Fällen eine Art Mittelsfrau zum Zweck. Einmal gegenüber einer Verpflichtung, die ihr widerstrebt, einmal praktisch einfach so zur Probe und so lange ihr die Situation wohl tut. Laura erkennt in beiden Situationen, dass es Rollen sind, die sie spielt. Die erste wird durch einen Autounfall unvermittelt jäh zeitlich eingeschränkt, während die zweite im Bewusstsein ihres vorübergehenden Charakters überhaupt erst eingegangen wird.
«Miroirs No. 3» beschreibt insofern eine Pause. In zweifacher Hinsicht. Einmal ist Laura die Trägerin der Trauer. Einmal ist Laura die Trägerin des Trostes. Geographisch nur wenige Meter voneinander entfernt. Zeitlich beinahe parallel. Das Wohltuende am wissentlichen Spenden von Trost gegenüber einer Drittperson verhilft Laura letztlich in einer nicht exakt benennbaren Weise eine Art Selbstheilungskräfte zu mobilisieren, um die selbst empfundene Trauer weniger erdrückend zu empfinden. Und dies im vollen Bewusstsein, dass diese Auszeit in einer zersplitterten Fremdfamilie, die sie wieder zu einen hilft, nicht das Leben ist, das sie als ihr eigenes ansieht und das sie auch gar nicht fortan an dessen Stelle zu führen gedenkt. Sie gibt sich nur bewusst der Notwendigkeit des Durchatmens hin.
«Miroirs No. 3» spielt in den Kinos Houdini, Movie.