Bild: Hannes Henz

Direttissima zum Heimplatz

Der Zürcher Gemeinderat sprach 11,6 Millionen Franken für Projektierungs- und «Voraus»-Massnahmen eines Fussgängertunnels, der vielleicht nie gebaut wird.

Das Hauptgeschäft an der ersten Sitzung des Zürcher Gemeinderats nach den Herbstferien bildete am Mittwochabend ein Fussgänger:innen-Tunnel, den es vielleicht nie geben wird. Entsprechend kryptisch tönt der Titel der Vorlage: «Tiefbauamt, Zugang Nord, unterirdische Verbindung für Zufussgehende vom Bahnhof Stadelhofen zum Heimplatz, Zusatzkredit zum Projektierungskredit; Vorinvestition für Vorausmassnahmen, neue einmalige Ausgaben.»

Kommissionssprecher Roland Hohmann (Grüne) erinnerte daran, dass der Bahnhof Stadelhofen seit der Einführung der S-Bahn ein wichtiger Knotenpunkt sei, den über 700 Züge pro Tag passierten. Dieser wichtige Bahnhof soll zudem weiter ausgebaut werden, womit ihn künftig noch mehr Bahnkund:innen benützen werden. Auch das Hochschulgebiet Zürich Zentrum wird bekanntlich weiterentwickelt, das zusätzlich zu einem höheren Personenaufkommen führt. Heute fahre man bekanntlich mit dem Tram ab Bellevue zu den Hochschulen, fuhr Roland Hohmann fort. Denn der Fussweg über den Hügel sei, unter anderem wegen des Aufstiegs über 70 Treppenstufen, eher etwas für Sportliche. Er verwies weiter auf den Gesundheitscluster Lengg: Könne man künftig bequem ab Stadelhofen zum Heimplatz gelangen, kämen die Pendler:innen auch schneller dorthin. Von den untersuchten Varianten für den Tunnel habe die Variante «Lang» am besten abgeschnitten, sie sei allerdings mit geschätzten 120 Millionen Franken auch die teuerste. Doch darum gehe es noch nicht, fügte er an: Der Rat habe erst über «Vorausmassnahmen» zu beschliessen.

«Nicht blindlings Geld ausgeben»

In der Vorlage des Stadtrats tönt das so: «Damit und bevor der Zugang Nord umgesetzt werden kann, ist es aus Sicherheitsgründen unabdingbar, dass der Baugrund, der bestehende Tunnelbauwerke der SBB und den künftigen Zugang Nord umschliesst, vorgängig und zeitlich auf den Terminplan der SBB für den Ausbau des Bahnhofs Stadelhofen abgestimmt verstärkt wird (sogenannte Vorausmassnahmen).» Der Stadtrat hat für die Projektierung der Vorausmassnahmen und einen Anteil der Projektierung des Zugangs Nord «einen Zusatzkredit von 860 000 Franken bewilligt, woraus neue einmalige Ausgaben von insgesamt 1 860 000 Franken resultieren». Diesen Betrag galt es nun um 9,45 Millionen Franken auf 11,31 Millionen Franken zu erhöhen, und zwar für zusätzliche Projektierungsarbeiten um 3 Millionen Franken und für die Vorinvestition für die Realisierung von Vorausmassnahmen um 6,45 Millionen Franken. Doch der Rat müsse an diesem Abend nicht «blindlings» Geld ausgeben, betonte Roland Hohmann. Die Stimmberechtigten könnten erst über den Zusatzkredit für die Projektierung des Zugangs Nord abstimmen wie auch über den Ausführungskredit. Doch weil die Vorausmassnahmen gemäss Bauprogramm der SBB bereits ab 2029 beginnen müssten, könne mit der Bewilligung der neuen Ausgaben nicht bis voraussichtlich 2030 auf den Ausführungskredit von 100 Millionen Franken zuhanden der Stimmberechtigten gewartet werden, heisst es in der Vorlage des Stadtrats.

Für die Mehrheit der vorberatenden Kommission stellte Severin Meier (SP) den Änderungsantrag vor: Er bestand darin, zusätzlich 300 000 Franken zu sprechen (womit sich der Betrag auf 11,6 Millionen erhöht), und zwar «für zusätzliche Projektierungsarbeiten inklusive einer weitgehend oberirdischen Verbindung zwischen Bahnhof Stadelhofen und Heimplatz». Er führte aus, zu Beginn der Beratungen habe es in der Kommission keine Mehrheit gegeben. Doch mit der vorgestellten Änderung sei das der Fall. Denn es würden dort «bedeutend mehr Personen» unterwegs sein, wenn das 4. Gleis komme. Und es brauche weitere Abklärungen, ob es nicht doch möglich sei, eine Lösung zu finden, die «über den Hügel» führe.

Für die Minderheit begann Derek Richter (SVP) mit dem Positiven: «Es ist für Fussgänger, nicht für Velos» … Ansonsten stellte er grundsätzlich infrage, dass es einen Tunnel für Fussgänger:innen brauche. Und wenn schon, dann sei ein Tunnel, der nur bis zum Heimplatz führe, «bestenfalls eine halbe Lösung». Zudem sei der Bahnhof Stadelhofen auch ein «Manifest der Masseneinwanderung», und hier wolle Rot-Grün investieren, aber fünf Milliarden für den Autobahnausbau seien ihnen zuviel …

«Kein Fan von Berichten»

Mit einem Begleitpostulat forderten Roland Hohmann und sein Fraktionskollege Markus Knauss den Stadtrat auf, in einem Bericht darzulegen, «wie der allfällige Bau der unterirdischen Verbindung vom Bahnhof Stadelhofen zum Heimplatz (Zugang Nord) mit dem Netto-Null-Ziel in Einklang gebracht werden kann». Roland Hohmann erinnerte daran, dass bei einem allfälligen Bau dieses Tunnels eine grosse Menge Treibhausgas emittiert würde. Deshalb müsste der Bau «mit dem Netto-Null-Ziel kompatibel» gemacht werden. Dazu könnte etwa geprüft werden, wie sich Emissionen von Baumaschinen vermeiden liessen oder wie Baumaterialien «emissionsminimiert» werden könnten. Als Beispiel für Letzteres nannte er die Verwendung von Recyclingbeton. Die Ablehnung des Postulats begründete Derek Richter unter anderem damit, es werde ja bloss «ein Berichtlein» gefordert, «und das bringt nichts».

In der gemeinsamen Debatte zur Vorlage und zum Postulat gab Michael Schmid (AL) zu bedenken, das 4. Gleis würde deutlich günstiger kommen, wenn man damals an Vorausmassnahmen gedacht hätte. Seine Fraktion stimme der Vorlage zu, aber nur, wenn der Änderungsantrag durchkomme. Carla Reinhard (GLP) hingegen gab bekannt, ihre Fraktion lehne diesen ab, sei aber ansonsten für die Vorlage: «Es handelt sich um eine sehr sinnvolle Investition, auch für die nächsten Generationen.» Heute schon sei es «zu eng» am Stadelhofen, und mit dem 4. Gleis sei mit plus 50 Prozent Menschen dort zu rechnen sowie mit 13 Prozent Mehrverkehr durchs Hochschulquartier. Entsprechend müsse man «gut vorausplanen». Den Tunnel müsse man gut anschauen, es dürften «keine Stausituationen» entstehen und auch «keine Angsträume». Dass die GLP das Begleitpostulat ablehne, begründete sie damit, dass ein emissionsfreier Bau nicht realistisch sei. Sie persönlich sei zudem «kein Fan von Berichten». 

Andreas Egli sprach von einer «Zahnarztvorlage», denn «sie kostet viel und tut ein bisschen weh»… Doch «ein bisschen visionär» dürfe man auch sein, seine Fraktion stimme der Vorlage zu. Nun für die Grünen fügte Roland Hohmann an, sie hätten «Mühe mit grossen betonierten Löchern im Untergrund», abgesehen vom Velotunnel unter dem Hauptbahnhof … kurz: sie hätten Stimmfreigabe beschlossen. Mit 90 gegen 26 Stimmen (von SVP und GLP) kam der Änderungsantrag durch, und in der Schlussabstimmung kam die Vorlage mit 92 gegen 23 Stimmen (von SVP und einigen Grünen) durch. Das Begleitpostulat wurde mit 61 gegen 55 Stimmen (von FDP, SVP, GLP und Mitte-/EVP) überwiesen.