Die Zeche zahlen die ‹Kleinen›

Am 28. Februar soll nach 2001 in Wetzikon einmal mehr über die Zukunft der Stadtwerke entschieden werden. Eine Rechtsformänderung ist oftmals der erste Schritt zu einer Teil- oder Vollprivatisierung. Die Zeche zahlen die Angestellten und die kleinen Strombezüger, denn selten erfüllen Privatisierungen die vollmundigen Versprechungen ihrer Befürworter.

 

Pascal Bassu*

 

Kommunale Betriebe werden meist schrittweise privatisiert. Zuerst werden sie aus der Verwaltung herausgelöst und verselbstständigt. Man schafft so Betriebe, die nicht mehr gemeinnützig, sondern gewinnbringend betrieben werden. Ist dies gelungen, werden private Beteiligungen ermöglicht, oder die Einrichtung wird ganz verkauft. Spätestens dann gehört das Objekt nicht mehr der Stadt, und eine demokratische Kontrolle durch Parlament bzw. Stadtrat ist nicht mehr möglich. Die Argumente der Befürworter sind nicht neu. Die Befürworter argumentieren mit «verbesserter Handlungsfähigkeit und höherer unternehmerischer Flexibilität» sowie «fachlich kompetenter und strategischer Unternehmensführung mit persönlicher Verantwortung.» Wenn das heutige Geschäftsmodell tatsächlich kritische Punkte aufwiese, dann hätten sich diese spätestens in den Jahren seit der teilweisen Strommarktöffnung bemerkbar gemacht.

 

Die grossen Versprechungen der Befürworter werden selten erfüllt

Niemand will schwerfällige Strukturen und wehrt sich gegen agile Unternehmen. Aber das kann man auch ohne Rechtsformänderung erreichen, deswegen muss man nicht gleich das öffentliche Eigentum ausverkaufen. Zudem ist die Erfahrung mit Privatisierungen oft negativ: Qualitätseinbussen, Preissteigerungen und prekäre Anstellungsbedingungen bei den Mitarbeitenden, um nur einige Folgen davon zu nennen. Dass Privatisierungen den Wohlstand steigern und den Bürgern zugute kommen, wird durch die Realität immer wieder neu widerlegt.

Auch in Wetzikon behaupten die Befürworter von solchen «Rechtsformänderungen», dass das Personal bei einer Privatisierung mindestens gleichbleibende, wenn nicht gar bessere Arbeitsbedingungen und Löhne zu erwarten habe. Doch oftmals profitieren bloss die führenden Angestellten von einem solchen Schritt. Für die 30 Angestellten der Stadtwerke Wetzikon wäre die Zukunft ungewiss. Nach Ablauf einer zweijährigen Frist der Besitzstandswahrung wären Verschlechterungen der Anstellungsbedingungen im Rahmen des Arbeitsgesetzes legitim. Bezeichnenderweise hat die bürgerliche Mehrheit im Parlament Wetzikon eine GAV-Pflicht abgelehnt. Es ist zu erwarten, dass der Druck auf das Personal ansteigt und weniger in Aus- und Weiterbildungen investiert wird. Nicht zuletzt, weil eine Stadtwerke Wetzikon AG der Stadt neuerdings eine Dividende ausschütten will und auch Steuern zahlen muss. Diese Mehrleistung muss offensichtlich durch schlechtere Arbeitsbedingungen und durch höhere Tarife für Kleinbezüger ‹erkauft› werden.

Das überparteiliche Pro-Komitee reiht unüberprüfbare Behauptungen aneinander, die vor allem vom Prinzip Hoffnung leben. Es findet es nicht problematisch, dass auch die Wasserversorgung in die AG ausgelagert werden soll. Geneigte LeserInnen erinnern sich: Berlin und Paris haben nach äusserst schlechten Erfahrungen mit der Privatisierung die Wasserversorgung wieder zurück in die öffentliche Hand genommen.

 

Demokratische Mitsprache beschnitten

Das Parlament kann nur noch am Rande Notiz vom Geschäftsbericht nehmen. Eine direkte Einflussmöglichkeit auf die Eigentümerstrategie wurde ihm von den bürgerlichen Gemeinderäten, trotz gegenteiliger Empfehlung des kantonalen Gemeindeamtes, verwehrt. Aber auch die stadträtliche Energiekommission kann nicht mehr direkt Einfluss auf die Stadtwerke nehmen. Die politische Mitsprache und vor allem auch Kontrolle wurde mit der Vorlage auf allen Ebenen empfindlich beschnitten. Die BefürworterInnen geben ja selbst zu, dass es ihnen darum geht, die Stadtwerke selbstständiger entscheiden zu lassen und sie so vom politischen Entscheidungsweg zu entkoppeln. Denn ab 250 000 Franken muss gemäss geltender Gemeindeordnung von Wetzikon ein Geschäft via Stadtrat in den Grossen Gemeinderat. Diese Limiten wurden aber erst im Zuge der Parlamentseinführung so tief angesetzt. Es ist verhältnismässig einfach, die Kompetenzen für die Stadtwerke als Verwaltungsabteilung angemessen zu erhöhen, ohne die Rechtsform gleich mitändern zu müssen. Damit können die Stadtwerke ebenfalls agil am Markt auftreten und zeitgerecht auch grossen Kunden rasch ein grösseres Geschäft offerieren.

 

2 x Nein macht den Weg frei

Das Referendumskomitee wirkt auf eine breite Ablehnung der Vorlage hin, denn damit bleibt die erfolgreiche Praxis bestehen. Die Panikmache der Privatisierer ist unangemessen. Auch die bevorstehende zweite Liberalisierung des Strommarktes kommt frühestens 2020, wenn überhaupt. Bis dahin kann eine ausgewogene Lösung erarbeitet werden, die sowohl den Bedürfnissen der Stadtwerke als auch der Wetziker Bevölkerung Rechnung trägt.

 

* Pascal Bassu ist Präsident der SP Wetzikon und der SP-Fraktion im Grossen Gemeinderat.

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