Die Vision vom Luxusüberschuss

Über die gesamte Produktionskette bis zum Konsum gehen 60 Prozent vom Frischgemüse in der Schweiz verloren. Der Verein Grassrooted möchte daran etwas ändern: Noch 7 Tage läuft ihre Crowdfunding-Aktion.

 

Zara Zatti

 

Durch den Tomatenverkauf unter der Hardbrücke im Juni erlangte der Verein Grassrooted mediale Aufmerksamkeit, mit der die beiden Initianten und Umweltingenieur-Studenten Dominik Waser und Martin Schiller selbst nicht ganz gerechnet hatten. Seit der Aktion im Kreis 5 können sie sich gar nicht mehr retten vor Arbeit, wie Waser in unserem Gespräch mitteilt. «Grassrooted» wurde diesen Frühling mit dem Ziel gegründet, die Menschen in der Stadt Zürich für den Nahrungsmittelkreislauf und einen bewussten Konsum zu sensibilisieren und auf die herrschende Problematik von sogenanntem Zweitklassgemüse aufmerksam zu machen. Als Zweitklassgemüse wird Ware bezeichnet, die zwar einwandfrei ist, optisch aber nicht den Ansprüchen für einen Verkauf im Grosshandel entspricht und aus diesem Grund im Abfall landet. Seit Ende August führt der Ve­rein einen Marktstand im Shop-Ville am Hauptbahnhof Zürich, wo er Zweitklassenware oder Überschuss von einem grossen Bioproduzenten direkt ab Hof bezieht. Mit dem Stand leistet er auch Aufklärungsarbeit bei der Bevölkerung: «Es soll ein Verständnis geschaffen werden für den Prozess vom Anbau über den Verkauf bis zum Konsum der Lebensmittel».

 

Nächster Schritt Verarbeitung
Ende August startete der Verein eine Crowdfunding-Aktion, um insgesamt drei Etappenziele zu erreichen. Die ersten beiden Ziele für die Finanzierung eines Autos und einen geeigneten Lagerraum haben sie erfolgreich gemeistert, jetzt fehlt noch ein Standort mit Küche zur Verarbeitung des Früchte- und Gemüseangebots. Noch eine Woche läuft das Crowdfunding für die dritte Etappe von 18 000 Franken der «Vision Luxusüberschuss». Einen Beitrag geleistet haben bereits über 250 sogenannter Booster, gelingt die Aktion nicht, geht das Geld zurück an die Spender.
Wieso die Möglichkeit zur Verarbeitung so wichtig ist, erklärt Dominik Waser: Bei einem reinen Verkauf von Frischware käme es längerfristig einfach zu einer Verschiebung. Die Konsumenten würden dann weniger bei ihrem gewohnten Händler einkaufen, womit dieser dann mehr Abfallware zu verbuchen hätte. Mit der Verarbeitung wollen sie einen Schritt weiter gehen und den im Sommer generierten Überschuss haltbar machen für die Wintermonate. Die Idee dahinter ist, den Import an Lebensmitteln zu verringern. Dazu sei natürlich auch ein saisonal bewusstes Einkaufen notwendig, so Waser, und betont die Komplexität des Themas. Ziel ihrer Aktionen sei es auch, die dahinterstehenden Prozesse für die Menschen verständlich zu machen.

 

Enormer Überschuss nach dem diesjährigen Hitzesommer
Ideal für den Verein wäre ein Standort mit Lagerraum, Küche und Verkaufsmöglichkeit. Wie Martin Schiller mitteilt, haben sie einen solchen Standort gefunden und stehen momentan in konkreten Verhandlungen. Verkaufen wollen sie die verarbeiteten Produkte sowohl an Privatpersonen wie auch an Gastrobetriebe. Und Ware hat es insbesondere nach dem heissen Sommer mehr als genug: «Es hat tonnenweise Gemüse, das muss in jeglicher Form verarbeitet werden». Damit ist schon jetzt ein kleines Team um den Verein beschäftigt, denn: Am Weihnachtsmarkt wird dieses Jahr auch ein Stand von «Grassrooted» stehen. Ohne festen Standort mit Küche sei die riesige Menge an Früchten und Gemüse aber nicht zu bewältigen.
Martin Schiller betont, der Verein könne nicht die gesamte Menge an vorhandener Überschussware verarbeiten. Ihre Aufgabe sehen sie darin, lokal mögliche Wege aufzuzeigen, für eine Verarbeitung im grösseren Stil brauche es aber andere Strukturen und grössere Produzenten.

 

Weitere Informationen zu «Grassrooted» auf grassrooted.ch
Direkter Link zum Crowdfunding:
www.100-days.net/de/projekt/vision-luxusueberschuss

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