Die UBS-Phobie

«Keller-Sutter weist Vorwürfe der UBS zurück», lautet der Titel auf der Front der letzten ‹NZZ am Sonntag›. Die Geschichte auf Seite 33 heisst «Kampf ums Kapital». Darin schildern drei Journalist:innen, wie sich die UBS und Bundesrätin Karin Keller-Sutter entfremdet haben, seit sie vor zwei Jahren gemeinsam die CS-Übernahme durch die UBS orchestriert hatten. Dazu trug bei, dass die Vorstellungen der Finanzministerin und der UBS-Leitung über das nötige Eigenkapital einer Schweizer Grossbank sich bei Weitem nicht decken. Ob die UBS wirklich ein so grosses Lobbying aufbaut, wie die drei Journalist:innen beschreiben, mag stimmen oder nicht. Sicher ist, dass die Bank Abwanderungsgerüchte dementiert, sondern eher als Drohmittel einsetzt. Obwohl im Prinzip sie und fast alle andern wissen, dass ein Wegzug aus der Schweiz keine wirkliche Alternative ist. Die Bank profitiert davon, dass ihre superreiche Kundschaft ihr Geld in der Schweiz verwaltet sieht – und aktuell sicher nicht gerade den Launen Donald Trumps ausgesetzt sein will. Dazu kostet ein Umzug viel und die Bedingungen sind anderswo keineswegs garantiert besser.

Zur Verschlechterung des Klimas tragen sicher die knapp 15 Millionen Franken bei, die Sergio Ermotti für seine CEO-Tätigkeit jährlich für die letzten beiden Jahre als Lohn erhielt. Obwohl er damit ganz sicher nicht der Bestverdienende in der Schweiz der letzten beiden Jahre ist und obwohl andere für mehr Geld sicher nicht mehr leisteten und andere für weniger Geld auch nicht, weckt sein Lohn allseits so viele Emotionen wie sonst kaum ein anderer: Selbst bei SVP-Nationalrat Thomas Matter, selber Banker und ganz sicher einer, der alles andere als darben muss. Das hängt damit zusammen, dass die UBS für die Übernahme der CS vom Bund grosse Garantien erhielt. Die Erzählung, dass die Schweiz die CS mit Steuergeldern rettete und die UBS damit nun den horrenden Lohn von Sergio Ermotti (und auch der anderen Geschäftsleitungsmitglieder, die sich im Schatten ducken können) mitbezahlt, eignet sich ausgesprochen gut, um Emotionen und Schlagzeilen zu wecken, ja man kann da­raus sogar bestens einen Film herstellen, der erst noch gut läuft. Es ist nicht nur für antikapitalistische Linke eine gute Geschichte, mit der man zu punkten hofft. Und vor allem kann man mit dem Bild der einzigen Bank, die die ganze Schweiz in den Strudel ihres Untergangs ziehen kann, ein gutes Schreckbild zeichnen und sich sehr ernsthaft darüber streiten, mit welchen Instrumenten und Massnahmen man diese Katastrophe in Zukunft verhindern will.

Ich bin wirklich kein Bankfachmann, kein Ökonom und bei Weitem kein Freund der UBS. Dennoch erlaube ich mir ein paar Relativierungen zu dieser Diskussion, die mit der Behandlung des PUK-Berichts in Stände- und Nationalrat in den letzten Wochen auf Hochtouren lief. ‹Watson› fasste die Ausgangslage der ‹Arena› vom letzten Freitag wie folgt zusammen: «Die Credit Suisse hatte sich mit zu geringem Eigenkapital und Hochrisikogeschäften so gut wie selbst zerstört.» Das mit dem zu geringen Eigenkapital ist ganz einfach falsch. Die CS zahlte ihrer Geschäftsleitung mehr Lohn und Boni als sie Gewinn erzielte. An dieser ruinösen Geschäftspraxis hätte mehr Eigenkapital nichts geändert, höchstens den Untergang noch etwas hinausgezögert. Mehr Eigenkapital kann in kritischen Situationen helfen, aber es hilft nicht gegen eine Geschäftsführung, die mehr Geld ausgibt als sie einnimmt.

Es trifft auch nur bedingt zu, dass die UBS 2007 durch Steuergelder gerettet wurde und 2023 die CS; dass dabei die Verluste sozusagen verstaatlicht, die Profite privatisiert wurden. Der Bund machte mit der Rettung der UBS schliesslich ein anständiges Geschäft, auch die CS-Aktion endete für die Bundeskasse mit einem Plus. Die letzten Konkursiten der CS kamen zudem nicht gut weg, Zwar mussten sie ihre Boni bisher nicht zurückzahlen, aber sie verloren neben ihrem Ruf auch viel Geld in Form wertlos gewordener Aktien und neuen Anstellungen. Die eigentlichen Verlierer waren nebst den Aktionären der CS (darunter sicher auch Pensionskassen) ein Teil der Angestellten. Zu den Gewinnern gehört neben der UBS sicher auch der Finanzplatz Schweiz, und auch wenn man das ja fast nicht sagen darf: Stadt und Kanton Zürich. Die UBS und die anderen Banken zahlen gute Steuern, ebenso ihre gutverdienenden Angestellten. Zürich hat den Untergang der CS gut überstanden. Auch weil die UBS sie übernahm. Keineswegs aus Nächstenliebe, sondern als gutes Geschäft. Auch weiteren Banken verhalf das CS-Ende zu guten Einnahmen.

Die UBS sei heute viel zu gross, das Risiko eines Untergangs zu hoch, da sie ja faktisch eine Staatsgarantie habe, die aber wegen der Dimension kaum geleistet werden könnte. Man müsse sich also besser gegen einen möglichen Konkurs der Grossbank UBS absichern, allenfalls die Bank verkleinern. Das ist sehr einseitig. Die Zürcher Kantonalbank hat eine explizite Staatsgarantie, aber auch eine Bilanz, die der Kanton Zürich ganz sicher nicht absichern könnte. Mit diesem Risiko leben unsere Bankgenoss:innen ohne schlechte Träume, obwohl ein Absturz der Kantonalbank nicht sehr viel weniger wahrscheinlich als ein solcher der UBS ist. Das Argument, bei einem Niedergang der UBS stünde keine weitere Grossbank zur Übernahme bereit, trifft nur sehr bedingt zu. Eine Konkursmasse UBS fände mit grosser Wahrscheinlichkeit – vielleicht auch mit Bundesgarantien – einen Abnehmer, wie dies die CS fand.

Grösse (eine halbe UBS ist immer noch sehr gross) kann für eine Gesellschaft und einen Staat immer ein Problem und vor allem auch ein Risiko sein. Was geschieht mit Basel, wenn es den Chemiekonzernen schlecht geht, diese vom Konkurs bedroht sind? Was macht die Ostschweiz, wenn Stadler keine Züge mehr verkaufen kann? Und Solothurn, wenn Gerlafingen aufhören muss? Zunächst versucht man gerade hier zu helfen, obwohl dieses Stahlwerk alles andere als über alle Zweifel erhaben ist.

Grosse Unternehmen prägen eine Gegend, auch ein Land. Das kann sich ändern. In Russikon schloss diese Woche die letzte Textilfabrik ihre Tore. Das ist nur noch eine Tragödie für die knapp 100 Angestellten. Das wäre bei der UBS anders. Sie ist derzeit für Zürich und auch für die Schweiz relevant. Ob das einem passt oder weniger. Und darum sollte die Politik und auch die UBS eine Lösung finden und den Konflikt nicht in erster Linie zur parteipolitischen Profilierung und Zelebration der Marktwirtschaft, respektive der Kapitalismuskritik benutzen.