Die totale Verweigerung

Der Regierungsrat sagt also Nein. Nach langen Wochen des Schweigens, während denen man hoffen durfte, es werde wenigstens entsprechend viel gedacht in dieser Zeit, muss man feststellen: ah nein. Auch das nicht. 

Die Begründung für das Nein ist nämlich, wie soll ich sagen, ich habe nach Wörtern gesucht, und dann doch nur die folgenden gefunden – die Begründung ist gleichzeitig dumm, frech und zynisch. 

Die Sicherheitsbedenken sind ebenso offensichtlich wie schamlos vorgeschoben, kein Mensch nimmt dem Regierungsrat diese Befürchtungen ab. Erstens sind da andere Kantone wie das Tessin, Basel-Stadt, Genf, Waadt, Neuenburg, Jura, Luzern und Appenzell Ausserrhoden, die verletzte und kranke Kinder aus Gaza behandeln und deren Angehörige bei sich unterbringen. Natürlich würden sie das nicht tun, wenn sie befürchten müssten, Terroristen zu beherbergen. Aber selbstverständlich wissen sie, dass der Bund in der Lage ist, eine lückenlose Sicherheitsprüfung durchführen zu können und diese humanitäre Aktion nicht lanciert hätte, wenn es auch nur die geringsten Zweifel daran oder gar die Möglichkeit einer Gefahr für die einheimische Bevölkerung gäbe. Jetzt als Regierungsrat des Kantons Zürich von «erheblichen Sicherheitsbedenken» zu schwafeln ist schlicht frech, auch deshalb, weil man in der Regierung offenbar davon ausgeht, dass man den Mist ausserhalb auch noch glaubt oder, wie sie selbst, sich schlicht genauso foutiert um diese Kinder. 

Einigermassen dumm wiederum ist die Behauptung, der Kanton Zürich könne sich die Behandlung dieser Kinder nicht leisten und man wolle «diese finanzielle Verantwortung nicht auf die Prämien- und Steuerzahlenden übertragen». Einerseits werden Staatsausgaben halt grundsätzlich immer von den Steuerzahlenden finanziert – von der Strassenlampe bis zum Lohn der Regierungsräti:innen –  weshalb das nicht extra erwähnt werden muss, es sei denn, man will alles noch mit ein wenig Polemik garnieren. Andererseits würde es sich ohnehin nur um sehr wenige Kinder handeln (die 20 Kinder insgesamt werden über die ganze Schweiz verteilt), und sollte man sich das nicht mehr leisten können, müsste man ganz grundsätzlich über die Bücher.

Zynisch, weil von kalter, grausamer Unmenschlichkeit, ist die Aussage des Regierungsrates, dass die ganze «Aktion symbolisch (sei) und nur geringe Wirkung (hätte)». Ein Leben retten ist symbolisch? Ein krankes, verletztes Kind behandeln hat nur eine geringe Wirkung?

Dieser Teil, ich sage es ehrlich, zerreisst mir das Herz. Als Mensch, als politischer Mensch, aber auch als Mutter. Und ich möchte ganz fest, dass Natalie Rickli und Mario Fehr und alle, die Nein gesagt haben, den Eltern eines kranken und verletzten Kindes aus Gaza genau das ins Gesicht sagen müssen: Wir halten die medizinische Versorgung ihres Kindes für zu symbolisch und in der Wirkung als zu gering. 

Hier zeigt sich die hässliche Fratze eines selbstgefälligen Gremiums, das qua Geburtsglück noch nie Not und Verzweiflung erleben musste. Ein Gremium, das sich in seiner Unmenschlichkeit suhlt und dies auf eine selten arrogante Art zur Schau stellt. Es fehlt diesem Regierungsrat nicht nur an Menschlichkeit, es fehlt ihm auch jegliches Schamgefühl. Nur so lässt sich erklären, dass sie sich hier allen Ernstes dagegen aussprechen, das Selbstverständlich zu tun: Kindern in Not helfen. 

Es ist die totale Verweigerung jeglicher humanitären Verantwortung. 

Und der Regierungsrat ist nicht allein. «Ein wichtiges Zeichen gegen eine ideologische Symbolpolitik und für eine verantwortungsvolle Migrations- und Sicherheitspolitik», frohlockt die FDP in ihrer Medienmitteilung, unterzeichnet von Filippo Leutenegger, Kantonalpräsident des Zürcher Freisinns. 

Ab wie vielen Menschenleben ist es denn eigentlich nicht mehr symbolisch? Diese Frage kann Leutenegger dann vielleicht gleich in seiner anderen Funktion als Zürcher Stadtrat beantworten, wenn er sich zum Vorstoss äussert, der diesen zum Handeln auffordert. Die Stadt solle versuchen, die Kinder aus dem Gazastreifen direkt im Stadtspital Triemli zu behandeln. 

Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens auf dieser föderalen Ebene noch der Restanstand vorhanden ist, der in der kantonalen Regierung gänzlich fehlt.