- Kultur
Die Randständigkeit schlägt zurück
Bei ausreichender Queerness verfärbe sich der eigene Blindenstock automatisch regenbogenfarben, frotzelte Dragking und Host Tito Bone und gab mit dieser hochglaubwürdigen Einleitung zu «Unslightly Drag and Friends» die Richtung für die kommenden zwei Stunden lustvoll-schräger Selbstermächtigung vor. «Quiplash» ist ein loses Kollektiv von queeren Dragkünstler:innen mit Behinderung, die sowohl die bestmögliche Unterhaltung im Sinn haben, wie die Verbreitung von grobem Unernst alias Spass, als auch die Vermittlung und Beweisführung der Vereinbarkeit von politischem Aktivismus, Selbstironie und grösstmöglicher Zugänglichkeit. Ein Tänzchen von Tito Bone im zweiten Teil besteht begleitend zur Musik textlich allein aus der Audiodeskription des gleichzeitig vollführten. Trotz der Ankündigung, sich damit für einen olympischen Wettbewerb qualifizieren zu wollen, oder gerade deshalb, wird aus der absichtlich demonstrierten Lachhaftigkeit der Show ein Akt der Selbstermächtigung. Niemandem käme dabei in den Sinn, «jöh, lueg emal die härzige Behinderte» auch nur schon zu denken. Bei Venetia Blind wirds richtig manifest, dass die vorauseilende Annahme einer Hilfsbedürftigkeit von Menschen mit Behinderung, grosse Teilen der Restbevölkerung dazu verleite, ihnen gutgemeinte, aber letztlich eben auch übergriffige weil ungefragt tatkräftige Unterstützung zuteilwerden lassen zu müssen. Oder eben: dürfen. Die Songs von Venetia Blind, (mitunter böse) Erlebnistexte aus dem Alltag kombiniert mit Discohits, erinnern erfreulich stark an die vielleicht vierzig Jahre zurückliegende Verstörung der augenscheinlich extra grottenschlecht wirkenden Dragshows in der damaligen Schwulenszene. Nur weil eine Person singen kann (oder auch nicht), tanzen kann (oder auch nicht) und sich als Paradiesvogel verkleidet (oder als Trümmertunte), ist dies keineswegs ein Anzeichen für die Bereitschaft, sich auf die Rolle von hübsch exotisch anzusehenden Tanzäffchen bescheiden zu wollen. Ganz im Gegenteil. Lokalmatador:in Edwin Ramirez führt diese Verquickung von Absurdität mit ernstlicher Botschaft auf die Spitze, wenn Edwin Ramirez den Empfindsamkeitsenthüllungsspezialisten Werner Herzog darum bittet, im Sinne einer Dokumentation Zeugnis über einen Sexualakt von Edwin Ramirez abzugeben, festzuhalten und wiederzugeben. Zum Brüllen! Auf der gegenüberliegenden Seite zeigte dieser Abend via eine Mummenschanz-Show durch Ebony Rose Dark aber auch die Gefahr auf, wie Vermittlungsbemühung und Kunstherstellung aus der Balance geraten und ihre eigene Bühnenrelevanz konterkarieren können.
«Unslightly Drag and Friends», 14.12., Gessnerallee, Zürich.