Die Profiteure der Steuervorlage 17

Im Blog Nr. 3 nimmt Niggi Scherr* die Profiteure der Steuervorlage 17 unter die Lupe: Eine kleine Zahl von Grosskonzernen und ihre überwiegend ausländischen Aktionär:innen, die dank sinkenden Gewinnsteuern höhere Dividenden kassieren.

«Ich unterstütze die Steuervorlage, weil vor allem unsere KMU von der Steuererleichterung profitieren», verkündet FDP-Kantonsrat Christian Müller vollmundig auf dem Flyer des Pro-Komitees. Ein-mal mehr versucht man – auf den Sympathiebonus für das Kleingewerbe schielend – uns das Ganze als grosses Geschenk an die KMU zu verkaufen. Nur: Damit man von Steuerentlastungen profitieren kann, muss man erst mal Steuern bezahlen. Die letzten verfügbaren Zahlen des kantonalen Steueramts zeigen für 2019 folgendes Bild: Von 71 039 steuerpflichtigen Firmen versteuerten 57 673 oder 73 Prozent keinen oder weniger als 10 000 Franken Gewinn. Umgekehrt entfielen 84 Prozent aller Gewinnsteuern – und damit der geplanten Entlastung – auf Firmen mit Gewinnen von 1 Mio Franken und mehr. 

Stadt Zürich: 25 Grosskonzerne räumen ab

In der Stadt Zürich – wo rund drei Fünftel aller Gewinnsteuern anfallen – ist die Situation noch akzentuierter. Hier versteuern 76 Prozent der Firmen weniger als 10 000 Franken Gewinn. Dagegen liefern gerade mal 261 Firmen mit Gewinnen von 10 Mio Franken und mehr – das sind 0.7 Prozent aller juristischen Personen – 83 Prozent der Gewinnsteuern ab (Zahlen für 2023). Finanzvorstand Daniel Leupi bringt plakativ auf den Punkt, wer wie viel von der Gewinnsteuersenkung auf 6 Prozent profitiert:

Mehr als 25 000 Firmen (70 Prozent) profitieren nicht von der Vorlage, da sie keinen Gewinn machen. 250 Firmen (0.7 Prozent) profitieren mit rund 85 Mio Franken. 50 Mio Franken davon entfallen an  25 Firmen (0.07 Prozent). 

Angesichts dieser Dimensionen zu behaupten, «vor allem unsere KMU» profitierten von der Steuervorlage, ist schon mehr als dreist.

Kanton: Hälfte geht an 43 Firmen

Die hier aufgeführten Zahlen sucht man in der Weisung der Regierung an den Kantonsrat und in der Abstimmungszeitung vergeblich. 2019, bei der ersten Firmensteuersenkung, lüftete der Regierungsrat wenigstens ein bisschen den Schleier und erlaubte einen Blick auf die ganz grossen Profiteure an der Spitze der Pyramide: die «grössten 43 Unternehmen, die für knapp 50 Prozent der Unternehmenssteuern das Kantons Zürich aufkommen», darunter 17 grosse Banken und Versicherungen (Antrag 5495 zur Steuervorlage 17 Teil 1, S. 31). Diese Proportionen dürften sich bis heute eher noch verschärft haben. Das Fazit ist klar: Von der Reduktion der Gewinnsteuer profitieren primär ein paar Hundert Konzerne, darunter die börsenkotierten Firmen des Swiss-Performance-Index (SPI) und zahlreiche Tochtergesellschaften ausländischer Multis. Kein Wunder liegt die Federführung der Pro-Kampagne bei der Zürcher Handelskammer, in der Börsenschwergewichte wie UBS, Julius Bär, Swiss Re, Zurich, Swiss Life, Barry Callebaut und Exponenten grosser Wirtschaftskanzleien mit internationaler Kundschaft den Ton angeben.

Dividenden statt Investitionen

Das neoliberale Märli Nr. 2 besagt, dass die eingesparten Steuergelder stracks in zusätzliche Investitionen fliessen und damit neue Wertschöpfung und anschliessend neue Steuereinnahmen generieren. Denkste! Tatsache ist, dass steigende Firmengewinne in den letzten Jahren stets zu steigenden Gewinnausschüttungen an die Aktionär:innen geführt haben. 6 der 20 grössten börsenkotierten Firmen im SMI-Index haben ihren Sitz im Kanton Zürich: ABB, Sonova, Swiss Life, Swiss Re, UBS und Zurich Insurance. Zwischen 2010 und 2024 haben sie ihre Dividendenzahlungen von 5027 auf 11 127 Millionen Franken mehr als verdoppelt.

Hinzu kommen zahlreiche Aktienrückkäufe zwecks Kapitalvernichtung in Milliardenhöhe, mit denen die Konzerne indirekt Gewinne an die Aktionäre ausschütten. So etwa Zurich Insurance (2022 – 2024: 2,9 Milliarden) oder Swiss Life (2020 – 2026: 2,45 Milliarden). Die UBS hat 2021 – 2025 Aktien für 10,8 Milliarden Franken zurückgekauft und für 2025/26 ein weiteres Programm für 3,5 Milliarden Dollar angekündigt. Nach dem Verkauf der Stromnetzsparte hat ABB als indirekte Gewinnausschüt-tung von 2020 bis 2025 für 10,3 Milliarden Dollar Aktien zurückgekauft, ein weiteres 1,5-Milliarden-Programm ist angelaufen. Fazit: Schon heute investieren viele internationale Firmen kaum mehr, sondern legen ihre Gewinne auf die hohe Kante oder schütten sie aus. Eine weitere Gewinnsteuer-senkung würde diesen Effekt nur noch verstärken.

Vier Fünftel der ausgeschütteten Gewinne wandern ins Ausland

Aufschlussreich und für die Abstimmenden von Interesse ist auch, wer konkret von diesem Dividendensegen profitiert. Laut Antwort des Bundesrats auf eine Anfrage von Jacqueline Badran (21.1067) schütteten Schweizer Firmen von 2012 – 2020 insgesamt 1970 Milliarden Franken Dividenden aus. Davon gingen 1584 Milliarden oder 80 Prozent an Aktionär:innen im Ausland. Im Schnitt sind das 176 Milliarden Franken pro Jahr. Eine Grössenordnung zum Vergleich: Das Bruttoinlandprodukt betrug in diesem Zeitraum im Schnitt 680 Milliarden Franken pro Jahr. Der Löwenanteil der Ausland-Dividenden entfällt mit 153 Milliarden CHF auf Ausschüttungen im sogenannten Meldeverfahren, die von CH-Töchtern direkt an ihre ausländischen Mutterkonzerne gingen. Von den Aktien der börsenkotierten Firmen sind mehr als die Hälfte in der Hand ausländischer Anleger: Damit kommen nochmals 23 Milliarden CHF hinzu, die jährlich ins Ausland abfliessen.

2005 wechselte der Kanton bei der Gewinnsteuer vom progressiven zum proportionalen Tarif, senkte den Steuersatz und halbierte die Kapitalsteuer. Seit 2020 (Steuervorlage 17 Teil 1) erhalten die Firmen weitere Entlastungen bei der Kapitalsteuer, können 90 Prozent ihrer Patenteinnahmen steuerfrei verbuchen und 150 Prozent ihrer Aufwendungen für Forschung und Entwicklung abziehen. 2021 kam die Senkung des Gewinnsteuersatzes von 8 auf 7 Prozent dazu. Von den neuen Abzügen macht offenbar die in der Stadt Zürich boomende IT- und KI-Branche rege Gebrauch: Trotz enormem Wachstum sind ihre Steuerzahlungen von 54,8 Mio CHF im Jahr 2019 um ein Viertel auf 41,6 Mio CHF im Jahr 2024 gefallen. Finanzvorstand Leupi schätzt, dass sich die Steuerbelastung der juristischen Personen seit 2005 um mehr als 35 Prozent reduziert hat. Mit einer weiteren Senkung auf 6 Prozent würde die Belastung auf die Hälfte sinken. Überwiegend zum Wohl von Aktionär:innen im Ausland. Steuerreduktion für Blackrock & Co? NEIN danke!

* Niggi Scherr ist alt-Gemeinderat der AL. Die ungekürzte Version dieses Texts ist zuerst als Blogbeitrag auf der Website der AL erschienen.