Die Ideologie der Broligarchen

Die grossen Techmogule waren alle zur Krönung gekommen und sassen da in einer Reihe: Meta-CEO Mark Zuckerberg, Amazon-Chef Jeff Bezos, X-Boss Elon Musk und Google-CEO Sundar Pichai. Sie hatten bessere Plätze erhalten als das künftige Kabinett und gewählte Amtsträger. Das Bild ist ein Symbol für die neue Trump-Ära. «Broligarchs» werden sie in den Medien genannt, eine Mischung aus «Bros» und «Oligarchen». Eine Spitze auf die betonte Männlichkeitskultur der Techbranche und auf die Mischung aus Oligarchie und korrupter Kumpanei, die sich in Trump 2.0 abzeichnet. 

Vieles, was jetzt in den ersten Wochen der neuen Trump-Administration geschieht, erstaunt nicht, denn Trump hat immer bemerkenswert offen über seine autokratischen Ambitionen gesprochen. Und eigentlich müsste auch nicht erstaunen, wie Elon Musk und seine Gruppe von blutjungen Gehilfen vorgehen. Doge nennt sich die Gruppe, «Departement of Gouvernement Efficiency», aber sie sind natürlich kein Departement. Denn Elon Musk ist für seine Aufgaben weder gewählt noch hat er dafür die gesetzlichen Grundlagen. Dennoch wirbelt er als grosser Zampano durch die Administration. Nicht mit der Kettensäge, aber mit ähnlicher Wirkung. Da werden Leute entlassen, die Entwicklungsorganisation US-Aid geschlossen und im grossen Stil sensitive Daten abgezügelt. Vieles davon ist rechtlich in Disput. Das Chaos ist aber schon angerichtet. 

«Move fast and break things», war einmal das Motto von Facebook, aber es könnte ein generelles Leitmotiv der Techindustrie sein. Disruption hiess das grosse Zauberwort. Der Literaturwissenschaftler Adrian Daub, der an der Stanford Universität lehrt, hat ein Buch über die ideologischen Vordenker des Silicon Valleys geschrieben («Was das Valley Denken nennt?») und dekonstruiert da einige der Mythen der Philosophie des Silicon Valleys, wie beispielsweise den Kult des Scheiterns oder eben auch die Disruption. Disruption heisst: Mit Innovation eine verstaubte Branche aufrütteln und schliesslich vollständig umzukrempeln. So wie Uber die Taxi- oder Spotify die Musikbranche. Nicht verwechseln sollte man dies aber laut Daub mit dem Konzept der «schöpferischen Zerstörung» des Ökonomen Joseph Schumpeter, mindestens im Resultat, denn Schumpeter ging davon aus, dass der Prozess der schöpferischen Zerstörung zu einem erhöhten Bedarf an Regulierung führen würde und mit letzter Konsequenz in den Sozialismus führt. Die Silicon-Valley-Disruptoren hingegen glauben, dass sich Innovation immer stärker beschleunigt und daher Regulierung verunmöglicht.

Was durchaus auch gewünscht ist. Denn eine weitere Vordenkerin der Silicon-Valley-Milliardäre ist natürlich Ayn Rand, die Lieblingsautorin libertärer Pubertierender. Denn Rands Romane wehren sich gegen den Staat, der ihrer Meinung nach die Individuen unterdrückt. Aber für das Silicon Valley sei laut Adrian Daub vor allem auch die Genie-Erzählung prägend. Die Vorstellung, des einen kreativen Schöpfers, der dank seiner Genialität der einzige Treiber ebendieser Innovation ist. Angestellte Arbeitskräfte gibt es in dieser Vorstellung kaum. Musk geht mit Doge vor wie bei Twitter, wo er nach der Übernahme auch einen Grossteil seiner Angestellten entliess. Und tatsächlich funktioniert Twitter immer noch: Einfach massiv schlechter. Für seine Zwecke genügt es aber längst.

Weitere Vordenker sind gemäss Adrian Daub der Medienwissenschaftler Marshall McLuhan und der Philosoph René Girard. McLuhan wurde berühmt mit seiner Aussage, «the medium is the message», also mit der Aussage, dass das Medium wichtiger ist als der Inhalt, der damit transportiert wird. Der Buchdruck hat die Gesellschaft radikal verändert und so tut es auch das Internet – unabhängig davon, was wir dort überhaupt kommunizieren. René Girard, ein französischer Philosoph, der ebenfalls an der Stanford University unterrichtete, prägte mit seiner «mimetischen Theorie» vor allem Tech-Investor und Paypal-Mitgründer Peter Thiel. Die Theorie besagt, dass jedes Begehren des Menschen nachgeahmt ist: Wir wollen, also was andere wollen. Darauf basieren all die Algorithmen, die uns vorschlagen, was wir vielleicht mögen könnten, sei es bei Amazon oder bei Meta. 

Lange Zeit haben auch Mitte-Links-Politiker:innen die Nähe zum Silicon Valley gesucht. Technologie und Innovation galten als Lösung für alle Probleme, selbst für jene, die die Technologie selber geschaffen hat. Der heutige klare Rechtsdrall hat aber neben purem Opportunismus auch ein ideologisches Fundament, das es schon länger gibt. Die Medienwissenschaftlerin Becca Lewis schreibt in einem Artikel im ‹Guardian› über George Gilder, der in den 1990er-Jahren einer der wichtigsten Promotoren eines Tech-Enthusiasmus war. Zentral war dabei die Figur des Unternehmers, dem er eine moralische Kraft zusprach und damit den Weg dafür bereitete, das Unternehmer wie Steve Jobs zu Rockstars wurden. Gilder war aber gleichzeitig auch ein überzeugter Konservativer und Antifeminist. Und so ist klar, dass dieser Unternehmer-Rockstar auch nur ein Mann sein kann, ein Sinnbild für Maskulinität. Und gleichzeitig begann in den 1990er-Jahren ein giftige Debatte rund um Political Correctness, die der heutigen rund um Wokeness sehr ähnelt. Auch hier taten sich Exponenten des Silicon Valleys hervor. Schon 1995 publizierten Peter Thiel und David O. Sacks ein Buch mit dem Titel «The Diversity Myth. Multiculturalism and Political Intolerance on Campus», das so ungefähr dasselbe kritisiert, was konservative Feuilletonisten auch heute an den Universitäten auszusetzen haben. 

Einige Silicon Valley-Leute liebäugeln auch mit dem Futurismus. So bezieht sich Netscape-Gründer Marc Andreessen in seinem selbstpublizierten Manifest für den Techno-Optimismus auch auf den italienischen Futuristen Filippo Tommaso Marinetti, der 1909 ein futuristisches Manifest publizierte. Dieses beeinflusste eine Kunstrichtung, dass Jugend, Geschwindigkeit, aber auch Gewalt und Krieg verherrlichte. Der politische Arm der Futuristen, ging später in Mussolinis Bewegung auf. Vielleicht ist der Rechtsruck aber weniger philosophisch denn psychologisch zu erklären. In einem bemerkenswerten Podcast mit dem konservativen NYT-Journalisten Ross Douthat erklärt Marc Andreessen offen, warum die Demokraten keine Freunde mehr im Silicon Valley hätten. Früher sei alles gut gewesen. Man habe ein Unternehmen gegründet, war vielleicht ein bisschen wohltätig (aber das Unternehmen ist eigentlich Wohltat an und für sich), und wurde dafür gefeiert. Aber dann kam die zweite Obama-Amtszeit und nach 2016 hätten sich die Demokraten quasi in Kommunisten verwandelt und angefangen, den Kapitalismus zu kritisieren. 

Vielleicht ist es verletzte Eitelkeit (auch Musk sei beleidigt gewesen, weil ihn Biden nicht ins Weisse Haus eingeladen hat), vielleicht wurden sie von ihren eigenen Maschinen radikalisiert. Klar ist, es wird viel kaputtgehen. Ob etwas Schöpferisches daraus entsteht ist zweifelhaft.