- Kultur
Die einen sagen so, die anderen sagen so
Strukturell sind die Häuser nicht vergleichbar. Zu Beginn haben sie sich mit einer Petition und einem Rekurs vor dem Bezirksrat gemeinsam gegen den Entscheid gewehrt. Das Theater Stok hat danach den Juryentscheid akzeptiert und nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau gehalten, das Theater Keller62 ist nach wie vor juristische Streitpartei, seit diesem Frühling vor dem Bundesgericht in Lausanne. Beide schweben in verschiedener Hinsicht im luftleeren Raum. Zentrale Fragen sind noch offen, weshalb belastbare Aussagen weder vonseiten Stadt Zürich noch vonseiten der Theaterleitungen zu bekommen sind. Über mutmasslich noch offenstehende taktische Züge in einem laufenden Verfahren via Zeitung mit einem Verhandlungsgegenüber in Kontakt zu treten, wäre auch unklug. Deshalb ist der hier versammelte Blick auf den Stand der Dinge auch nur vorläufig.
Kollektive Fronarbeit
Das Theater Stok hat am Donnerstag vor einer Woche im Rahmen einer Pressekonferenz folgendes bekannt gegeben: Peter Doppelfeld und Christina Steybe übergeben den betriebsführenden Verein per 1.1.2026 einem neunköpfigen Kollektiv aus mehrheitlich Künstler- und Kunstvermittler:innen, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Spielstätte weiter zu erhalten und zu betreiben. Der Raum gehört der Stadt Zürich und wird von der Immo verwaltet, die per definitionem nur verwaltungsintern als Ansprechpartnerin fungiert. Damit der Kellerraum von einer nichtsubventionierten Gruppe überhaupt gemietet werden kann, musste das Präsidialdepartement als Mittlerin einspringen und als Präjudiz einen Mietvertrag für Gewerberäumlichkeiten ausarbeiten lassen für ein Gegenüber, dem keine Subventionen ausgerichtet werden. Darin, dass der Vertrag existiert und eine Jahresmiete von 60 000 Franken benennt, sind sich beide Seiten aktuell einig, aber das wärs dann auch schon mit Einhelligkeit. Besonders bezüglich des Kleingedruckten. Worüber aber keine der beiden Seiten etwas in der Zeitung lesen will. Freundlich ausgedrückt, ist die technische Infrastruktur des Theater Stok schon sehr in die Jahre gekommen. Der Betrieb wurde bisher schon über vergleichsweise günstige Wochenvermietungen finanziert. Für Publikumswerbung, die Gastronomie, Einlasskontrolle etc. mussten die Mieter:innen selbst aufkommen. Mit der Übergabe des Vereins an das neue Kollektiv überlässt das bisherige Leitungsteam Peter Doppelfeld und Christina Steybe dem Folgegremium die übrig gebliebenen Gelder der sogenannten Überbrückungsgelder der Stadt Zürich, was sich dem Vernehmen nach in der Grössenordnung von 100 000 Franken bewegen dürfte. Die Absichten des Kollektivs klingen vernünftig, wenngleich auch sehr hehr. Sie wollen dem Stok ein Gesicht geben, es mit regelmässigen Kleinveranstaltungen stärker im Quartier verankern, weiterhin möglichst günstige Mietkonditionen anbieten können und sowohl die Infrastruktur als auch das Vereinsvermögen nach und nach auf eine tragfähige Basis stellen. In Fronarbeit. Es ist ein Mehrfachspagat: Auf Mieteinnahmen angewiesen zu sein und ein künstlerisches Profil zu entwickeln, muss nicht deckungsgleich sind. Günstige Preise anbieten und als Verein die nötigen Einnahmen über die reine Miete generieren, beispielsweise mit der Übernahme von Gastroleistungen für Mieter:innen, erscheint ebenfalls delikat. Stand jetzt ist ein Übergangsjahr mehr oder weniger finanziert und grundsätzlich ist es nicht ausgeschlossen, dass einem mit dem Kollektiv um ein vielfach grösseres Netzwerk die für das Überleben notwendige Belebung des Stok gelingen kann. Im Theaterjargon kann man nur sagen: Merde!
Juristisch weiterstreiten
Der Keller62 zeigt bis am kommenden 5. Dezember das (Nicht-)Stück «Universum25», worin der Leiter Lubosch Held mit Team die Absurdität der Anforderungen der politisch Verantwortlichen im Stadthaus exemplarisch vor Augen führt. Die Ausgangslage ist gegenüber dem Theater Stok komplett verschieden: Lubosch Held ist ein Theaterleiter, der das Programm aktiv kuratiert und die Fäden des Betriebs zusammenhält. Durch den Wegfall der städtischen Subventionen fliessen auch jene des Kantons nicht mehr, der sich als nur subsidiär finanzierend versteht. Lubosch Held ist davon überzeugt, mit seinem juristischen Einwand gegen mehrere Komponenten des Verfahrens erstens im Recht zu sein und zweitens solches auch zugesprochen erhalten zu müssen. Seit diesem Frühling liegt die Angelegenheit vor dem Bundesgericht in Lausanne. Heikel, insbesondere für die Stadt Zürich ist, dass sich die Klage nicht allein darauf bezieht, dass der Keller62 weiterhin Subventionen erhalten soll, sondern dass der zurückliegende Prozess mehrere dermassen gravierende Mängel bis Fehler aufgewiesen hat, dass letztlich die gesamte Übungsanlage noch einmal ganz von vorn durchexerziert werden muss. Je nachdem, die Frist vor Bundesgericht dauert zwei Jahre, bis ein Entscheid feststehen muss, wie sich die weiteren parallelen Bemühungen informell, politisch, öffentlichkeitswirksam entwickeln, verändert sich für den Keller62 auch die Möglichkeit, die Gelder der sogenannten Übergangsfinanzierung überhaupt anzutasten. Bis dato wurden zig Sammelaktionen für einzelne Produktionen erfolgreich gesammelt, gemäss eigenen Angaben sind die Lobbyinganstrengungen im derzeitigen Parlament parteiübergreifend vielversprechend angelaufen und sogar vom bevorstehenden Wechsel im Stadtpräsidium wird ein Aufbrechen der verkrusteten Positionen für nicht komplett unmöglich angesehen. Im aktuellen Stück erlebt das Publikum – mit Franz Kafka an der Tür – wie eine undefinierbare Künstliche Intelligenz ein undurchsichtiges Auswahlverfahren für eine mögliche Anstellung (in Rumänien zum Beispiel) an den Zuschauer:innen durchführt. Das Versprechen lautet, alleine das Beste für alle individuell wie für das Gemeinwohl im Sinn zu führen und sowieso aktiv und empathisch auf die jeweiligen Wünsche wiewohl Eignungen/Begabungen einzugehen, was sich als barer Euphemismus herausstellen wird. Ergo die Ausgangslage, das Verfahren wie auch das Resultat als Akt baren Hohns darstellt und den Beweis erbringt, dass ein Theater ohne denkende, fühlende, lenkende und finanzierende Kraft einfach ein hohler Raum ist. Affaire à suvire…