Deutliche Niederlagen und ein Stimmungstest
Die SVP erlitt mit ihrer «Selbstbestimmungsinitiative» eine deutliche Niederlage, ebenso deutlich verloren ging das Referendum gegen die Versicherungsspione. In Schaffhausen und Winterthur gab es erfreuliche Nachrichten in der Bodenpolitik.
Das Resultat war überraschend deutlich. Die «Selbstbestimmungsinitiative» der SVP vermochte keinen Kanton zu überzeugen und auch nicht die Mehrheit der Stimmberechtigten. 66,2 Prozent lehnten die Initiative ab. In der französischsprachigen Schweiz waren es gar 74,8 Prozent. Nur im Tessin konnte die SVP gross über ihr eigenes Lager hinaus mobilisieren, dort haben immerhin 46 Prozent der Abstimmenden der SVP-Initiative zugestimmt.
Die Deutlichkeit überrascht auch, weil die SVP sich im Rahmen des Abstimmungskampfs Mühe gab, mit einer zurückhaltenden und gemässigten Kampagne breitere Kreise anzusprechen, und weil es im Rahmen der Umfragen vor den Wahlen doch eine nicht unbedeutende Anzahl von Wählerinnen und Wählern der FDP gab, die Sympathien für die Initiative bekundeten. Am Ende hat die SVP – wie eigentlich immer bei institutionellen Fragen – eine deutliche Niederlage kassiert. Sie konnte vermutlich auch – bedingt durch die harmlose Kampagne – nicht gross mobilisieren, während dies der Gegenseite vor allem in den Städten gut gelang. Zudem war das Thema «fremde Richter» wohl für die meisten Leute zu abstrakt.
Keine Überraschung bei der Überwachung
Ebenso deutlich war die Niederlage beim Referendum gegen die Überwachung von Versicherten. 64,7 Prozent stimmten der Vorlage zu. In der Romandie war die Skepsis grösser, nur 50,6 Prozent der Abstimmenden sprachen sich für die Vorlage aus, die Kantone Jura und Genf stimmten dagegen. Auch hier gelang es dem Referendumskomitee nicht, über die eigenen Kreise hinaus zu überzeugen. Die rechtsstaatlichen Bedenken der GegnerInnen stiessen zwar insbesondere in den Sozialen Medien und in gewissen juristischen Kreisen auch über das linksgrüne Lager hinaus auf Unterstützung, für eine Überraschung an der Urne reichte es aber bei weitem nicht. Den Befürwortern gelang es – auch mit der Veröffentlichung von gewissen Fällen und Videos –, die Debatte auf eine grundsätzliche Frage der Missbrauchsbekämpfung zu reduzieren und damit zu punkten.
Die Hornkuhinitiative konnte wie viele ähnliche Initiativen im Tierschutz- und Landwirtschaftsbereich zu Beginn in den Umfragen grosse Unterstützung geniessen, am Ende reichte es aber nicht. Mit 45,3 Prozent erreichten die Initianten dennoch einen Achtungserfolg. Ja sagten die Kantone Basel-Land und Basel-Stadt, Glarus, Schaffhausen, das Tessin und der Kanton Genf. In den Städten hatte die Hornkuh-Initiative insgesamt grösseren Anklang als auf dem Land, dennoch gab es auch in ländlichen Gemeinden und auch aus SVP-Kreisen grosse Sympathien für das Anliegen. Überzeugt haben wird wohl am Ende das Argument, dass die Kühe dann im Laufstall angebunden werden müssten und damit die Initiative für das Tierwohl keinen Vorteil bringe.
Bodenpolitische Erfolge
Winterthurerinnen und Winterthurer wollen künftig städtisches Land nicht mehr verkaufen. 75 Prozent sagten Ja zur Vorlage «Baurecht statt Landverkauf». Damit bleibt die Stadt künftig Besitzerin ihrer Grundstücke. Sie kann sie aber im Baurecht an andere abgeben. Landverkäufe sollen nur noch in Ausnahmefällen, etwa bei kleineren Flächen, bei Landtausch oder wenn ein Quartierentwicklungsplan vorliegt, möglich sein. Dies entspricht auch der Praxis in der Stadt Zürich. Die Vorlage wurde durch eine Motion von AL und Grünliberalen angeregt. Dagegen haben sich die Bürgerlichen ausgesprochen. Ebenfalls klar angenommen wurde in Winterthur die sogenannte Schuldenbremse. Darin enthalten ist auch die Ausgabenbremse: Bei neuen oder wiederkehrenden Ausgaben von über 100 000 Franken braucht es künftig das absolute Mehr, also 31 von 60 Stimmen. Diese Vorlage geht auf eine Motion von FDP, SVP, CVP und GLP zurück.
In der Stadt Schaffhausen wurde eine Volksinitiative der AL knapp angenommen, dass die Stadt Schaffhausen dem Kanton das Klosterviertel im Herzen der Altstadt abkauft und das Areal selber entwickelt. Die Initianten wollten damit sicherstellen, dass das Areal in öffentlichem Besitz bleibt und nicht an private Investoren verkauft wird. Der Stadtrat hatte sich gegen die Initiative ausgesprochen. Zurzeit sind auf dem Areal das Gefängnis, die Polizei, Teile der Staatsanwaltschaft und das Strassenverkehrsamt untergebracht.
Keine Steuersenkungen für Unternehmen
Mit einiger Spannung beobachtet wurden auch die Abstimmungen im Kanton Bern. Im zweiten Anlauf wurde ein Kredit für die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) angenommen. Dagegen hatte sich die SVP ausgesprochen. Ebenfalls abgestimmt wurde über eine Revision des Steuergesetzes. Mit 53,6 Prozent haben sich die Stimmberechtigten gegen Steuersenkungen für die Unternehmen ausgesprochen. Regierungsrat und Grosser Rat wollten die Gewinnsteuern auf 18,71 Prozent senken. Heute beträgt die Gewinnsteuer 21,64 Prozent. Die Bürgerlichen begründeten die Senkung damit, dass der Kanton Bern eine der höchsten Gewinnsteuern habe und damit für Unternehmen nicht attraktiv sei. Linke und Grüne haben die Steuergesetzrevision bekämpft, da sie weitere Abbaumassnahmen bei Leistungen für die Bevölkerung befürchteten.
Diese Abstimmung wurde allgemein als Stimmungstest für kantonale Umsetzungen der Steuervorlage STAF angesehen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB und die SP Schweiz haben bei ihrer Unterstützung der STAF immer betont, man verfolge die kantonalen Umsetzungen kritisch und würde sie gegebenenfalls mit kantonalen Referenden bekämpfen. Entsprechend erfreut zeigt sich der SGB in einer Medienmitteilung: Die Abstimmung sei ein «Schuss vor den Bug für alle Steuerabbauer in den Kantonen, die zurzeit starke Senkungen der Unternehmenssteuern planen».