Der Türlersee braucht keine künst­liche Lunge mehr

Arthur Schäppi

 

Der einstmals vom Erstickungstod bedrohte Türlersee kann wieder aus eigener Kraft atmen und das Wasser selbstständig umschichten. Das ist das erfreuliche Resultat eines zweijährigen Versuchs ohne technische Zirkulationshilfe. Verschrotten will der Kanton die künstliche Lunge des Kleingewässers aber noch nicht.

 

Als im Türlersee im Winter 1987 erstmals die Zirkulations-Unterstützungsanlage in Betrieb genommen wurde, ging es vorab einmal darum, beim ‹Patienten› einen Kreislaufkollaps abzuwenden. Dem 1,4 Kilometer langen, bis zu einem halben Kilometer breiten und 22 Meter tiefen Seelein im Knonaueramt war zunehmend die Luft ausgegangen. Ungeklärte Abwässer sowie Phosphateinträge namentlich aus der Landwirtschaft hatten zu einem massiven Algenwachstum geführt. Und bis auf wenige Meter unter der Wasseroberfläche folglich auch zu einer Aufzehrung des Sauerstoffs. Während über drei Jahrzehnten presste fortan eine jeweils vom Dezember bis März im See installierte Pumpanlage mit Luft vermischtes Oberflächenwasser zum Seegrund – und sorgte so für eine ausreichende Wasserzirkulation und Durchmischung. Zusammen mit umfangreichen Gewässerschutzmassnahmen führte das dazu, dass der Türlersee über die Jahrzehnte gesundete. So sehr, dass das kantonale Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) im Dezember 2020 ein zweijähriges Experiment wagte  und ab da auf den Einsatz der technischen Zirkulationshilfe verzichtete. Mit erfreulichem Resultat, wie sich jetzt zum Abschluss des zweiten Versuchsjahres zeigt: «Das Experiment ist gelungen – wir gehen davon aus, dass wir nun längerfristig auf die Zirkulationshilfe verzichten können», zieht Pius Niederhauser, Sektionsleiter Oberflächengewässerschutz beim AWEL, Bilanz. 

 

Stark witterungsabhängig

Monatliche Messungen vom März bis November zeigten, dass der See wie schon im Vorjahr (P.S. vom 19. Nov. 2021) aus eigener Kraft genügend Sauerstoff für eine gute Durchmischung und funktionierende Wasserzirkulation aufnehmen konnte. Das gilt insbesondere für die für den Fischbestand existenziell wichtige Wasserschicht von 5 bis 15 Metern Tiefe. Weiter unten – das heisst bis auf eine Tiefe von 20 Meter oder bis rund 2 Meter über Seegrund – war zumindest noch eine Teilzirkulation feststellbar. Allerdings wurden jeweils im Frühling 2021 und 2022 nach der sauerstoffzehrenden Winterperiode unterhalb von 15 Metern Tiefe deutlich geringere Sauerstoffkonzentrationen nachgewiesen als in den Jahren mit Zirkulationshilfe. Doch habe sich auch im zweiten Versuchsjahr bestätigt, dass für den Sauerstoffgehalt in den Schichten darüber nicht die Zirkulation im Winter davor, sondern die Witterungsbedingungen im laufenden Jahr bestimmend seien, betont Niederhauser. Und diese seien auch im zweiten Versuchsjahr höchst unterschiedlich ausgefallen. Viel zu hohe Temperaturen hätten im Winter 2021/2022 die Wasserumwälzung gehemmt und ausbleibende Stürme die Sauerstoffaufnahme an der Wasseroberfläche erschwert. Im extrem trockenen Sommer 2022 habe es dann aber umgekehrt keine Hochwasser, und damit auch keine Schadstoffeinschwemmungen gegeben. 

 

Wenig Algen und Phosphat

Erfreuliches offenbart die jüngste Dia­gnose für den einstmals unter Atemnot leidenden ‹Patienten› nach dem limnologischen Gesundheitscheck noch in anderer Hinsicht. Die Rücklösung von Ammonium, Sulfid sowie Methan und insbesondere auch von Phosphat aus dem Seesediment ist stabil geblieben und hat nicht zugenommen. Was auch bedeutet, dass der Türlersee auch ohne Zirkulationshilfe bezüglich tiefer Phosphat- und damit auch Algenbelastung seinen Spitzenplatz unter den Zürcher Seen behaupten konnte. Entsorgen will man beim AWEL die 35jährige künstliche Lunge aber noch nicht. «Weil die Witterungseinflüsse von Jahr zu Jahr stark schwanken können, werden wir den Versuch noch ein Jahr weiterführen und warten erst einmal ab, ob sich die bisherigen Ergebnisse auch im nächsten Jahr bestätigen», sagt Pius Niederhauser dazu. Und dies sei auch der Grund, weshalb man beim AWEL jetzt auch noch nicht über eine definitive Ausmusterung der Anlage entscheiden wolle.

 

 

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