Der Kanton Zürich braucht ein kantonales Bürgerrechtsgesetz
Am 15. Mai wird im Kanton Zürich über das kantonale Bürgerrechtsgesetz abgestimmt. Eine breite Allianz aus SP, FDP, GLP, Grünen, Mitte, EVP, AL und Secondas Zürich empfehlen die Ja-Parole zu diesem neuen Gesetz, das einen inhaltlich ausgewogenen Kompromiss darstellt. Einzig die SVP und die EDU lehnen das Gesetz ab.
Sibylle Marti
Die Zürcher Kantonsverfassung aus dem Jahr 2005 verlangt, den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts in einem Gesetz zu regeln. Diese gesetzliche Grundlage fehlt bis heute. Aktuell existieren lediglich die Bundesgesetzgebung und die kantonale Bürgerrechtsverordnung sowie einige veraltete und teilweise nicht mehr rechtsgültige Bestimmungen. Diese Situation ist unbefriedigend: Das Bürgerrecht spielt im Leben eines Menschen eine zentrale Rolle, und es ist die Voraussetzung für die Ausübung der politischen Rechte auf Ebene des Bundes, des Kantons und der Gemeinden. Rund ein Viertel aller Einbürgerungen in der Schweiz erfolgen im Kanton Zürich. Um der grossen Bedeutung des Bürgerrechts für die einzelne Person und unsere Gesellschaft Rechnung zu tragen, braucht es auch im Kanton Zürich ein Bürgerrechtsgesetz.
Die zuständige kantonsrätliche Kommission für Staat und Gemeinden hat den Gesetzesentwurf von Regierungsrätin und Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) über mehrere Monate eingehend beraten. In der Schlussabstimmung hat der Kantonsrat dem Gesetz mit 126 : 47 Stimmen mit einer grossen Mehrheit zugestimmt. Einzig die SVP-/EDU-Fraktion hat sich gegen das neue Gesetz ausgesprochen und in der Folge das Kantonsratsreferendum ergriffen. Aus diesem Grund kommt es nun am 15. Mai zu einer Volksabstimmung.
Vorgaben des Bundes massgebend
Für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts sind in erster Linie die Vorgaben des Bundes massgebend. Diese legen etwa fest, dass eine einbürgerungswillige Person eine Niederlassungsbewilligung C besitzen muss und nicht im Strafregister verzeichnet sein darf. Demgegenüber ist der Handlungsspielraum der Kantone bei Einbürgerungsfragen eher klein. Trotzdem macht es Sinn, den Erwerb des Bürgerrechts auch im Kanton Zürich in einem Gesetz und nicht wie bis anhin lediglich in einer Verordnung zu regeln. Der Regierungsrat kann Verordnungen in eigener Kompetenz abändern. Demgegenüber verlangt eine Gesetzesänderung einen entsprechenden Beschluss des Kantonsrates, und gegen Kantonsratsbeschlüsse kann das Referendum ergriffen werden. Damit können das Parlament sowie auch die StimmbürgerInnen künftig demokratisch mitbestimmen, welche Voraussetzungen im Kanton Zürich für den Erwerb des Bürgerrechts gelten sollen.
Faire und einheitliche Verfahren
Das kantonale Bürgerrechtsgesetz ist aber nicht nur aus formalen, sondern vor allem auch aus inhaltlichen Gründen sinnvoll. Es vereinheitlicht die Anforderungen für den Erwerb des Bürgerrechts und ermöglicht faire und einheitliche Einbürgerungsverfahren im ganzen Kanton. Es legt für die Prüfung der Sprach- und Grundkenntnisse einheitliche Kriterien fest, die eine objektive und transparente Überprüfung gewährleisten. Diese Harmonisierung ist wichtig, denn die Chancen auf eine Einbürgerung dürfen nicht vom Wohnort abhängen. Wer integriert ist und über gewisse Sprachkenntnisse verfügt, soll unkompliziert eingebürgert werden können. Inhaltlich orientiert sich das Bürgerrechtsgesetz an der bereits heute geltenden kantonalen Bürgerrechtsverordnung. Die zuständigen Stellen in den Gemeinden und im Kanton sind mit den darin festgelegten Prozessen gut vertraut. Diese bewährten Abläufe werden mit dem kantonalen Bürgerrechtsgesetz beibehalten.
Die SVP behauptet, das kantonale Bürgerrechtsgesetz «verscherble den Schweizer Pass». Diese Behauptung ist falsch. Das Bürgerrechtsgesetz stellt vielmehr einen ausgewogenen Kompromiss dar. In einigen wenigen Punkten gelten im kantonalen Bürgerrechtsgesetz strengere Auflagen als in der Bundesgesetzgebung. So müssen straffällig gewordene Jugendliche künftig eine Wartefrist in Kauf nehmen, bevor sie sich einbürgern lassen können. Gleichzeitig gibt es gegenüber heute keine Verschärfungen bei den Wohnsitzfristen und den Sprachanforderungen. So müssen einbürgerungswillige Personen wie bis anhin mindestens zwei Jahre in der Gemeinde wohnhaft sein, in der sie das Einbürgerungsgesuch stellen, und sie müssen bestimmte Deutschkenntnisse (Niveau B1 mündlich und A2 schriftlich) vorweisen können. Um vermehrt Anreize zu schaffen, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene einbürgern lassen, werden zudem die Gebühren für die Einbürgerung für unter 25-Jährige halbiert und für unter 20-Jährige ganz erlassen. Unter dem Strich bildet das kantonale Bürgerrechtsgesetz einen breit abgestützten Kompromiss, den ausser der SVP und der EDU alle Parteien sowie die Secondas Zürich mit grosser Überzeugung mittragen.
* Sibylle Marti ist Kantonsrätin der SP.
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