- Kultur
Denkwürdig
Zurück bleiben ein paar textile Utensilien der Figurenunterscheidung am Kleiderständer und die Ankündigung, in textil stecke ja auch der Begriff Text, was ein Türchen dafür offen lässt, den liebevoll absurden Tatsachenbeobachtungen von Joachim Rittmeyer auch nach dem «Nachlassspass» in veränderter Form wieder begegnen zu können. Jovan Nabos aufrichtige Integrationsbemühungen generieren nicht allein sprachbedingt immer wieder missverständliche Situationen, die er jedoch immer frei von Schuldzuweisungen und mit einem hohen Wiedererkennungswert der schweizerdeutschen Durchschnittsmentalität gewitzt in Gelächter aufzulösen weiss, bevor sich aus herannahenden Wolken ein Donnerwetter entwickelt. Hanspeter Brauchle ist dermassen praktisch veranlagt und an der Erforschung der optimalen Lösung interessiert, dass er jede anscheinend kleinste Nichtigkeit in eine regelrechte Doktorarbeit des präventiven Ausschliessens sämtlicher Unwahrscheinlichkeiten verwandeln und so um etliche Ecken herum den wahren Wert achtsamen Handelns erkennen lernen und zur vornehmsten Aufgabe erklären kann. Einen Wanderrucksack packen, den tieferen Sinn hinter einem Trennstab erkennen oder der umgebungsbewusste Kauf einer spezifischen Sorte Glacé mutieren derweil zu hochkomplexen Aufgaben, die Lai:innen nie und nimmer hinter solch scheinbar profanen Dingen vermutet hätten. Theo Metzler ist der Sprachakrobat, der sich das inhaltsschwere Reimen einer Schnitzelbank inklusive Quetschkommode zum Vorbild dafür nimmt. Als Rittmeyersche Kunstfigur indes, die alle sehr viel mehr Leidenschaft in den Weg legen, als sie das Erreichen eines Ziels im Sinn führen, kann sich die auf den Punkt gebrachte hintersinnige Mehrdeutigkeit mitunter auch als reiner Spass an der Fabulierfreude herausstellen. Das immer menschenfreundliche Sezieren möglicher Ursachen für Missverständnisse trifft ja im realen Leben auf Schritt und Tritt auf Inspiration. Joachim Rittmeyer liest die Pointen bloss noch auf und raffiniert sie, indem er sie in teils waghalsigen Gedankengängen auf ihre tatsächliche Absurdität hin weiterspinnt. Jeder Figur verleiht er einen eigenen Habitus in Körpersprache, Mimik und Dialekt, wobei keine davon ein augenscheinlich heldenhafter Sympathieträger ist, sondern vielmehr ein Ebenbild für die insgeheime Verschrobenheit in allen, die sich im Zweifel oder in Gesellschaft zumeist in künstlicher Zurückhaltung übt, selbst wenn ihr Freigang dem allgemeinen Amüsement des Daseins ungemein zuträglich wäre. Sich eine Blösse zu geben, ziert sich ja nicht.
«Nachlassspass», 18.2., Theater Hechtplatz, Zürich.