Demokratierelevant

Vor ein paar Tagen erschien im Magazin ‹The Atlantic› eine längere Geschichte über einen Hedge Fund (Alden Global Capital), der in den USA sukzessive lokale Zeitungen – darunter auch grosse wie die ‹Chicago Tribune› oder die ‹Baltimore Sun› – aufkauft. Dem Hedge Fund geht es dabei nicht um den Journalismus, sondern darum, Gewinn zu erzielen. Das Überleben der Zeitung ist Alden Global Capital egal. Das Ganze läuft so: Zuerst werden die Immobilien und andere Vermögenswerte verkauft, dann wird das Personal zusammengespart und die Abopreise werden erhöht. Damit lassen sich noch ein paar Jahre Gewinne erzielen, bis schliesslich die Zitrone ausgepresst ist.

 

In den USA sind mittlerweile 15 Prozent der Zeitungen verschwunden. In den letzten zwanzig Jahren wurde die Belegschaft in den amerikanischen Redaktionen halbiert. Laut einer Studie der Universität Texas hat dies klare Auswirkungen auf die Lokalpolitik. Weniger Berichterstattung führe zu geringerer Wahlbeteiligung, zu geringerem Engagement. Mit weniger Personal und Berichterstattung sei auch die öffentliche Kontrolle der Behörden gesunken. Eine Studie der Universität North Carolina zeigte, dass weniger Lokalberichterstattung Polarisierung fördert und die Anfälligkeit für Fake News und Desinformation steigt.

 

Ganz unbekannt sind diese Entwicklungen auch hierzulande nicht. Für Schlagzeilen sorgte der Tessiner Financier Tito Tettamanti, der hinter den Übernahmen der ‹Weltwoche› wie auch der BAZ steht. «Ich bin Investor, nicht Verleger», meinte er, als er sich 2002 in das Verlagshaus Jean Frey einkaufte, das damals die ‹Weltwoche› und den ‹Beobachter› herausgab. Sowohl bei der ‹Weltwoche› wie auch bei der BAZ standen die politischen Implikationen dieser Übernahmen im Zentrum der Berichterstattung. Beide wurden nach den Übernahmen auf strammen politischen Rechtskurs getrimmt. Das war durchaus das Ziel, aber nicht das einzige. Die Publikationen wurden auch mit einem rigorosen Sparprogramm rentabler gemacht, Druckereien und Immobilien wurden verhökert, zum Schluss die Publikationen wieder gewinnbringend verkauft.

 

Das obige Rezept wird aber nicht nur von Raidern und Hedgefonds erprobt. Auch traditionelle Verlage dünnen das Personal aus, erhöhen die Abopreise, haben Quersubventionierungen abgeschafft und stellen den Konzerngewinn über den Journalismus. In den «Tamedia-Papers», die von ‹Heidi.News› und der ‹Republik› publiziert wurden, erzählte ein ehemaliger Chefredaktor, was ihm ein hochrangiger Konzernverantwortlicher gesagt habe: «Alles, was ich von dir verlange, ist, dass du möglichst lange möglichst hohe Gewinne erwirtschaftest. Aber investieren werden wir nichts.»

 

Der Journalismus ist seit längerem in der Krise. Die Digitalisierung führte zu einer Abwanderung der Werbeinnahmen zu den grossen Plattformen. Zudem ist auch die Konkurrenz grösser geworden.  Der ‹Wohler Anzeiger› muss sich nicht nur mit der ‹Aargauer Zeitung› messen, sondern auch mit der ‹New York Times›. Und alle beide konkurrenzieren mit Instagram, Facebook oder TikTok. Auf diese Entwicklungen haben die VerlegerInnen noch nicht die richtigen Rezepte gefunden. Und einige Probleme sind auch hausgemacht. Die Verlage haben schon vor dem Internetzeitalter mit den Pendlerzeitungen Inhalte gratis vertickert. Und in Sachen Online haben etliche eher ein Hüst und Hott statt einer kohärenten Strategie verfolgt. Die grossen Verlage haben sich zudem politisch in den letzten Jahren konsequent auf den falschen Feind eingeschossen. Statt sich für eine zukunftsfähige Medienförderung einzusetzen, haben sie sich auf die SRG eingeschossen.

 

Das ist der Hintergrund, vor dem die Abstimmung über das Massnahmenpaket für die Medien steht. Dieses kommt im Februar vor die Stimmbevölkerung, weil rechtslibertäre Kreise das Referendum eingereicht haben. Das Massnahmenpaket beinhaltet eine Erhöhung der indirekten Presseförderung für die gedruckte Presse. Diese verbilligt die Posttarife (auch P.S. erhält eine indirekte Presseförderung) für die Zustellung. Neu sollen auch Online-Medien gefördert werden. Zudem soll ein Teil der Radio- und Fernsehgebühren für branchenübergreifende Projekte wie beispielsweise IT-Infrastrukturprojekte, Aus- und Weiterbildung oder Nachrichtenagenturen eingesetzt werden. Zudem wird der prozentuale Anteil zugunsten der privaten Radio- und TV-Stationen leicht erhöht. Die Massnahmen sind befristet. Das Paket ist ein typischer Kompromiss, der kaum Begeisterung auslöst.

Deshalb und wegen der vorher geschilderten Entwicklung wird diese Abstimmung nicht einfach zu gewinnen sein. Denn der Vorwurf, man gebe jenen Verlagen damit Geld, die ihr Geld nicht in den Journalismus, sondern in die Gewinne der BesitzerInnen stecken, ist nicht ganz verkehrt. Das Pro­blem: Die Alternativen sind noch schlechter. 

 

Einige Zeitungen, die von Alden Global Capital übernommen wurden, begannen sich zu wehren und organisierten Proteste. Doch die öffentliche Aufmerksamkeit begann nach ersten Erfolgen schnell abzuebben. Die Zeitungen hatten die Herzen der LeserInnen schon länger verloren. Der Versuch eines reichen Erben, die Zeitungen aufzukaufen und in eine Nonprofit-Organisation umzuwandeln, scheiterte. Der Erbe will jetzt ein Non-Profit-Onlineportal aufbauen. Vielleicht gelingt es. Doch das Mäzenatentum wird den Journalismus auch nicht retten. Ein Beispiel: Kürzlich begründete die Christoph-Merian-Stiftung eine Absage für ein Gesuch des Online-Mediums ‹Bajour› mit dessen kritischer Berichterstattung über die Stiftung. 

 

Die heutigen Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr. Mindestens nicht für den Journalismus. Für die Demokratie ist Medienberichterstattung aber zentral: Politische Debatten brauchen Berichterstattung, Ämter und Behörden und die Wirtschaft die Kontrolle der Öffentlichkeit. Natürlich kann der ‹Wohler Anzeiger› nicht mit der ‹New York Times› mithalten. Aber diese berichtet nicht über die Abstimmung über die neue Mehrzweckhalle. Und auch nicht über den Knatsch in der Schulbehörde. 

Wenn wir in Zukunft noch Journalismus, noch kritische Berichterstattung haben wollen, auf allen Ebenen und in verschiedenen Formen, dann werden wir nicht ohne staatliche Förderung auskommen. Diese muss aber künftig anders ausgerichtet sein. Statt Vertriebsmodelle oder Kanäle sollte Journalismus gefördert werden. Und wer üppigen Gewinn macht und nicht in den Journalismus investiert, braucht auch keine Subventionen. Um das zu kriegen, braucht es aber ein bisschen Zeit. Diese haben viele – gerade lokale Medien und gerade die anständigen – leider nicht mehr. Das Medienpaket ist überlebenswichtig. Für die Medien, aber auch für die Demokratie.

 

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