Demenz-Pionier geehrt

Die Paradies-Stiftung zeichnet alle zwei Jahre Institutionen oder Personen aus, die sich im Sozialbereich durch Innovation und Eigeninitiative auszeichnen. Dieses Mal ehrte sie zwei Personen für ihr Lebenswerk im Bereich der Demenz: Michael Schmieder von der Sonnweid in Wetzikon und Margrit Raimann für das Zentrum Wiitsicht in Grabs.

 

Koni Leopfe

 

Die Stiftung ist vor allem das Werk des früheren FDP-Politikers Urs Lauffer und seines Büropartners Fritz Frischknecht. Beraten lassen sie sich bei der Auswahl der Ausgezeichneten von Fachpersonen aus der Sozialpolitik: Zuerst war es Monika Stocker, nun kümmert sich Esther Maurer im Stiftungsrat um die richtige Wahl. Wobei Urs Lauffer, wie er an der Ehrung freimütig eingestand, seine Vorstellungen hat und sich nur schwer davon abbringen lässt. Die Stiftung definiert alle zwei Jahre einen Bereich zur Ehrung, der medial oder finanziell noch etwas im Schatten liegt. Der erste Preis wurde 2009 für Leistungen in der Arbeitsintegration verliehen, der zweite an Selbsthilfeorganisationen, der dritte an die Förderung der Lebensqualität im Alter, der vierte an Professor Lüthy und sein Lebenswerk bei der Bekämpfung von Aids. Und nun waren hervorragende Leistungen im Bereich der Demenz im Alter an der Reihe.

 

Demenz kann jede und jeden betreffen. Trotzdem spricht man nicht so gerne darüber, und die Geldbeschaffung ist nicht immer ganz einfach. Ein Tabu, wie mitunter erwähnt, ist die Demenzerkrankung zwar nicht mehr, aber man fühlt sich oft hilflos gegenüber Menschen, von denen man nicht weiss, ob und was sie noch verstehen und wie man mit ihnen umgehen soll, damit ihr Leben seine Würde behält und man selber bei der Pflege nicht kaputt geht.

 

Guter Zweck und Wohlgefühl

Der Festsaal des Savoy am Paradeplatz deutet es an: Das geladene Publikum macht es noch deutlicher: Hier treffen sich vor allem Freisinnige, die sich um Soziales kümmern, die zeigen wollen, dass neben dem Staat dafür Eigeninitiative nötig ist. Eingeladen sind auch linke und langjährige SozialpolitikerInnen, die mit Urs Lauffer zusammenarbeiteten. Dabei als Redner ist immer Mario Fehr, der Schulkollege von Urs Lauffer. Dieses Jahr überbrachte Raphael Golta die Grüsse des Stadtrats. Es gehört zur Grundüberzeugung von Urs Lauffer, dass zu einem guten Zweck auch ein Wohlgefühl gehört: Also kurze Reden und ein anschliessender Apéro in einem gediegenen Rahmen für Gespräche und Wiedersehen. Ganz ohne Ironie: Schade, dass diese etwa altmodische Art des Bürgertums selten geworden ist. Ganz abgesehen davon, dass sich die Preisgelder mit 120 000 Franken für den Hauptpreis und 30 000 Franken für den Nebenpreis in einer Dimension bewegen, mit der man etwas anfangen kann. Michael Schmieder wird seinen Preis für die Weiterentwicklung der erfolgreichen Website www.alzheimer.ch einsetzen.

 

Theorie und Praxis

Es gehört zum Wesen von Pionieren, dass ihre Erkenntnisse zur anerkannten Selbstverständlichkeit werden. Michael Schmieder verbindet – was Urs Lauffer in seiner Rede hervorhob – seit gut 30 Jahren in der Sonnweid in Wetzikon Theorie und Praxis. Er begegnet den Dementen auf Augenhöhe, nimmt ihre Würde und ihre Wünsche ernst. Oder wie es Urs Lauffer ausdrückte: «Menschen mit Demenz haben die gleichen Bedürfnisse wie andere». Sie drücken sie nur viel mehr auf der Ebene der Emotionen aus. Praktisch bedeutet dies, dass sie im Heim ihren Rhythmus leben dürfen, also etwa nachts essen oder sich sonst betätigen. Es bedeutet auch die Möglichkeit nach viel Bewegung und Musik, ohne sich dabei selber zu gefährden. Um dies zu ermöglichen, braucht es neben Empathie auch durchdachte Heime (nicht nur nach Rationalität) und genügend Personal. Die Praxis ist im Heim für gut 150 PatientInnen zu besichtigen, die Theorie im Schmieder-Buch «Dement, aber nicht bescheuert» nachzulesen – sowie auf der bereits erwähnten Website.

 

Vor Heimeintritt noch einiges im Argen

Für ihre Praxis mit vielen Freiwilligen wurde das Ehepaar Margrit und Herbert Raimann ausgezeichnet. In ihrer kurzen Rede wies sie darauf hin, dass die staatlichen Ergänzungsleistungen mit dem Heimeintritt gut funktionierten, aber dass für die Pflege vor dem Heim noch einiges im Argen liegt. Hier könnte die von Mario Fehr erwähnte kantonale Arbeitsgruppe für Demenzerkrankung wirken.

 

www.sonnweid.ch, www.wiitsicht.ch

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