- Gedanken zur Woche
Danke!
Am 31. Mai schrieb ich, dass das P.S. eigentlich ein Jubiläum feiern könnte. Aber trotzdem kaum Grund zum Feiern hat. Es war der Auftakt für eine Spendenaktion (bei weitem nicht die erste in der Geschichte des P.S.). Wir wollten 200 000 Franken, um unser weiteres Überleben zu sichern. Es sind – das ist der letzte Stand – 166 421.85 Franken geworden. Damit ist zwar das Ziel nicht ganz erreicht, aber dennoch eine stolze Summe zusammengekommen. Ich bedanke mich von ganzem Herzen auch im Namen der ganzen P.S.-Crew sehr herzlich für jede einzelne Spende, die wir auch als Vertrauensbeweis für unsere Arbeit sehen. Denn letztlich ist jede Spendenaktion auch – um es etwas ökonomisch auszudrücken – ein Markttest. Es zeigt, ob unser Produkt überhaupt noch gefragt ist. Und das können wir einmal mehr positiv beantworten. Mit den Einnahmen aus der Spendenaktion und einigen Sparmassnahmen sollten wir wieder einen gewissen Schnauf erhalten.
Damit sind natürlich nicht alle unsere Probleme gelöst. Denn der Strukturwandel, die Krise der Medien wird uns weiter beschäftigen, das kleine P.S. genauso wie die weit grösseren Blätter. Dass die Krise besteht, wird mitterweile kaum mehr negiert, nur die Rezepte dagegen sind noch unklar. Gemäss dem Willen der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (deren Mitglied ich bin), soll die indirekte Medienförderung für die gedruckte Presse temporär erhöht werden. Später soll es eine Online-Förderung geben. Zudem gibt es chancenreiche Vorstösse, die Presserat, Nachrichtenagentur und Ausbildung im Medienwesen unterstützen wollen. Gleichzeitig ist die SRG unter Druck wegen der Halbierungsinitiative. Ein besonderes Steckenpferd der Verleger ist das sogenannte Leistungsschutzrecht. Dieses will, vereinfacht gesagt, dass Plattformen wie Google, Facebook und weitere Medien dafür entschädigen, wenn sie Inhalte von Medien verlinken. Beziehungsweise soll die Textvorschau, der Textanriss zu dem Link urheberrechtlich entschädigt werden. Dagegen wehren sich natürlich die Techkonzerne, aber auch Netzaktivist:innen, sowie gewisse kleinere Medien. Der Verband Medien mit Zukunft (dem auch P.S. angehört) ist skeptisch gegenüber dem Leistungsschutzrecht, weil er befürchtet, dass davon vor allem die grossen Medien profitieren und dass die Reichweite von den Medien eingeschränkt würde. Vereinfacht gesagt: Medien profitieren davon, dass ihre Artikel in Google-Suchen erscheinen, weil sie damit ihre potenzielle Leserschaft vergrössern können.
Aber mir geht es hier nicht um das Leistungsschutzrecht, das eine recht technische Auseinandersetzung ist, sondern um die Analyse, die dahinter steht. Die Medien leiden darunter, dass die Menschen ihre Medienkonsumgewohnheiten verändert haben und noch mehr darunter, dass die Werbeausgaben heute anders getätigt werden. Die meisten Medien leben und lebten in erster Linie von der Werbung und nicht von der Leserschaft. Diese Werbung ist abgewandert auf die Plattformen, die – es ist in der Realität immer ein wenig komplizierter – auch teilweise in der Hand der Medienkonzerne selber sind. Sprich: Früher war der Stellenanzeiger eine wichtige Einnahmequelle für den ‹Tages-Anzeiger›. Heute werden die Stellen auf der Plattform jobs.ch ausgeschrieben, die TX Group gehört, aber diese Einnahmen fliessen nicht mehr in den Journalismus, sondern in den Unternehmensgewinn. Davon profitieren natürlich die kleineren (und mittleren) Medienhäuser nicht.
Die Analyse, dass das Internet die Ursache für die ganze Misere der Medienbranche ist, ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Natürlich ist es so, dass Werbung abgewandert ist: Warum sollte man für teures Geld ein Inserat buchen und dafür einen hohen Streuverlust in Kauf nehmen, wenn man für weniger Geld sehr viel zielgerichteter auf Plattformen werben kann. Und natürlich profitieren die grossen Techkonzerne davon, dass viele – darunter auch Medien – Inhalte produzieren, mit denen die Plattformen ihr Geld machen.
Nur sind die Medien selber nicht ganz unschuldig an ihrem eigenen Niedergang. Medienwissenschaftler Victor Pickard sieht eine der Ursachen für die Krise auch in der enormen Kommerzialisierung der Medien. Das Geschäftsmodell der Medien basierte zu einem grossen Teil auf Werbeeinnahmen. Und diese waren auch dadurch garantiert, dass die Medien zum Teil monopolartigen Charakter hatten. Wer also Werbung machen wollte, konnte gar nirgendswo anders hin. In einer Stadt mit einer Zeitung konnten Geschäfte, die Werbung machen wollten, eben nur in dieser einzigen Zeitung inserieren, da es keine anderen Kanäle gab. Das galt letztlich auch für Inhalte. Wenn eine Partei effizient mit ihren Wähler:innen kommunizieren wollte, dann ging dies letztlich nur durch die Medien, in bezahlter Form als Werbung oder in unbezahlter Form im redaktionellen Teil. Heute können die Parteien auch via Social Media direkt mit ihren Wähler:innen kommunizieren. Die Kommerzialisierung hatte auch zur Folge, dass es den Medienkonzernen nicht mehr in erster Linie darum geht, Journalismus zu produzieren, sondern Gewinne zu erzielen. Oder die Verluste zu minimieren. Und darum wurden auch in guter kapitalistischer Manier Verlage ausgeweidet, Gewinnbringendes wie Immobilien veräussert und Personal eingespart. Das heisst nicht, dass es keinen guten Journalismus mehr gibt. Aber er ist unter massivem Druck. Immer mehr Journalist:innen wechseln in die Kommunikationsbranche. Nachwuchs kommt kaum mehr nach. Das sehen wir auch in der Schweiz. Und man muss ganz ehrlich sein: Wenn auch ein Flaggschiff wie eine ‹Washington Post› finanzielle Nöte hat, wie soll dann eine ‹Südostschweiz› in einem massiv viel kleineren Markt überleben können?
Wenn wir aber immer noch davon ausgehen, dass Journalismus, dass gute Informationen auch in Zukunft existenziell sind für die Demokratie, dann müssen wir die Finanzierungsfrage klären. Aber das heisst auch, dass man neue Geschäftsmodelle für die Medien suchen müsste. Wenn wir davon ausgehen, dass der Journalismus für die Demokratie relevant ist, aber der Markt dafür nicht mehr funktioniert, dann bleibt letztlich nur, Journalismus als öffentliches Gut, als Service public anzusehen. Oder anders gesagt: Es müsste eigentlich ein selbstverständliches Grundrecht sein, dass man Zugang zu korrekten und vielfältigen Informationen hat, genauso wie man Zugang hat Bildung oder zu sauberem Wasser. Soweit sind wir noch nicht. Aber Politik und Einstellungen können sich auch ändern. Manchmal – wie der Blick in die amerikanische Politik zeigt – auch ganz erstaunlich schnell.