Dada

Während die Welt um einen herum zusammenbricht, ist der richtige Moment, um sich dem Unfug zu verschreiben.

 

In der ersten Klasse, wo sonst, lässt sich der Untergang der Titanic, die Mischa Käsers «Klingklang Untergang» assoziativ zugrunde liegt, am trefflichsten aktiv ignorieren. Das Tänzchen, die Fotografiepose, die Letztvöllerei dienen allein dazu, die eigene Gelangweiltheit im sinnlosen Dasein des Überflusses zu kaschieren. Wichtig dabei, Dada eben: Ein Wohlgefühl darf sich unter keinen Umständen einstellen. Die Klänge sind genauso schräg wie die vermeintlich überraschend eintretenden Zeugnisse für die Unleugbarkeit der fatalen Lage um einen herum. Die Kritik der Avantgardebewegung vor hundert Jahren lässt sich auf der symbolhaften Ebene durchaus in ein Heute übertragen, wobei die Erstklasspassagiere nicht mehr die Aristokratie meinen, sondern ganz allgemein die feierliche Tendenz, alles Unschöne aussen vor zu lassen. Herwig Ursin, Irina Ungureanu und Mischa Käser proben die Psychohygiene, in der die kleinste Petitesse Anlass für ihr Aufbauschen liefert. Hauptsache Ablenkung. Eine Allerweltserkenntnis kann, ausreichend pathetisch inszeniert (oeuil exterieur: Udo van Ooyen), locker als hochphilosophisch komplexer Diskussionsbeitrag durchgehen. Die Bereitschaft, blindlings über alles zu staunen, ist weitaus höher gewichtet als jede zur Anstrengung,  und sei es des Intellekts, der Empathie oder simpler, des effektiven Hinsehens. «Klingklang Untergang» ist die Feier der Dekadenz. Ein regelrechter Wettbewerb darum, wer eine hanebüchene Belanglosigkeit in eine noch gloriosere Bedeutungsschwere zu verwandeln versteht. Dass dabei der Spass für das Bühnenpersonal an erster Stelle steht, ist Konzeptimmanent. Schliesslich soll die Identifikationsfigur SchauspielerIn spiegelbildlich wirken. Oder seitenverkehrt. Kein konkretes Wort der Schelte, kein Vorschlag zur Güte stört den Selbstbetrug. Sogar der Knall der Konfettikanone ist als Weckruf nur vorübergehend.

 

«Klingklang Untergang», bis 30.1., Kellertheater, Winterthur.

 

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