#Cryptoleaks

Viel wurde bereits in der Vergangenheit über Geheimdienstverstrickungen der Zuger Crypto AG vermutet. Die interne Geschichtsschreibung von CIA und deutschem Bundesnachrichtendienst scheint nun diese Vermutungen zu bestätigen. Und mehr.

 

von Balthasar Glättli

 

Neben menschlichen Spionen (HumInt) spielt in der Neuzeit immer stärker auch das Ausspionieren der Kommunikation (SigInt oder Signal Intelligence) eine zentrale Rolle für die Geheimdienste aus aller Welt. Die gemeinsamen Recherchen der ‹Washington Post›, des ZDF und der Schweizer ‹Rundschau› allerdings zeigen eine Story, wie sie nur eine Romanautorin mit farbiger Phantasie zu Papier bringen könnte. Da kaufen zwei Geheimdienste, die CIA und der deutsche BND, gemeinsam die weltweit führende Firma für Verschlüsselungsgeräte, die Crypto AG aus Steinhausen, Zug. Der schwedische Eigner und Crypto-Gründer Boris Hagelin war 1948 nach Zug gezügelt, um Steuern zu sparen. Getarnt über ein liechtensteinisches Treuhandkonstrukt machen die Dienste ihren Einfluss geltend und lassen Hintertüren einbauen in die Geräte, die in weit über hundert Länder verkauft werden. Am Schluss zahlen diese Länder Milliarden dafür, dass ihre geheimste Kommunikation von CIA und BND abgehört werden kann. Was als Coup im kalten Krieg begonnen und über Jahrzehnte funktioniert hatte, soll sogar mindestens bis 2018 weitergelaufen sein. Unter Wissen und Duldung auch des Schweizer Nachrichtendienstes. Der Sitz der Crypto AG in Steinhausen blieb zentral – aber nicht wegen der Steuer-ersparnis. Aller Gerüchte rund um die Crypto AG zum Trotz blieb die Schweizer Neutralität das zentrale Verkaufsargument. Und eine Untersuchung der Bundespolizei diente gewissermassen als Gütesiegel für das korrekte Funktionieren der Apparate.

 

Schweiz rettet Operation Rubikon

 

Grundlage für die aktuelle Berichterstattung ist vorab eine interne Geschichtsschreibung der CIA zur «Operation Rubikon», die auf unbekannten Pfaden den Weg zur ‹Washington Post›, ZDF und SRF fanden. Stolz werden in diesem Dokument Details der Operation geschildert. Und auch der kritischste Moment wird dargestellt – als nämlich die ganze Tarnung wegen der Affäre Bühler aufzufliegen drohte. 1992 wurde der Schweizer Crypto-AG-Verkäufer Hans Bühler in Iran unter Spionageverdacht verhaftet und monatelang festgehalten – bis der deutsche Bundesnachrichtendienst im Hintergrund eine Million Franken für die Kaution aufbrachte. Kaum freigekommen, wurde Bühler von der Crypto AG entlassen. Es kam zu einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der ehemaligen Arbeitgeberin. Die Bundespolizei drohte, die Hintertüren in den Verschlüsselungsgeräten offenzulegen. Allerdings erhielt die CIA damals die Zusicherung, dass die BuPo-Untersuchung im Sand verlaufen werde. Impliziert dabei offenbar nicht nur der Zuger FDP-Nationalrat Georg Stucky, Verwaltungsrat der Crypto AG, sondern auch der damalige Militärdepartements-Vorsteher Kaspar Villiger, der dies allerdings heftig bestreitet.

 

Nicht alles ist neu

 

Nicht alles rund um #Cryptoleaks ist völlig neu. Bereits im Nachgang zur Affäre Bühler gab es eine ‹Rundschau›-Reportage, ein Buch von Res Strehle, Aktionen der Zuger Alternativen. Auch der ‹Spiegel› berichtete am 2.9.1996 darüber, dass BND und CIA den verschlüsselten Informationsaustausch Libyens im Zusammenhang mit dem Attentat auf die Berliner Diskothek La Belle entschlüsselt hätten.

Neue Informationen wurden schliesslich 2015 öffentlich. Einerseits publizierte der amerikanische Geheimdienst NSA umfangreiche Akten ihres früheren Chefkryptologen Friedman. Auf dieser Basis berichtete ‹Rundschau›-Redaktor Garbely von Zeugenaussagen, die er in den 1990er-Jahren zum Schutz seiner Quelle nicht veröffentlichen durfte. Man kann sich kaum vorstellen, dass Markus Seiler, der Nachrichtendienstchef von 2010 bis 2017, spätestens zu dieser Zeit nichts von der damals noch laufenden Operation erfahren hätte. Sonst wäre er der wohl uninformierteste Geheimdienstchef aller Zeiten gewesen!

 

Neu an #Cryptoleaks bleiben mindestens zwei Punkte. Erstmals wird aus der Sicht des CIA die aktive Vertuschung der Schweiz mit Verwicklung bis in den Bundesrat behauptet. Und – ebenso wichtig – die Operation soll offenbar bis mindestens 2018 weitergelaufen sein. Es geht also nicht nur um eine wichtige Vergangenheitsbewältigung. Sondern auch um brisante politische Fragen mit Akteuren, die heute noch – im Falle Seilers als Generalsekretär des Aussendepartements – in herausragender Stellung tätig sind.

 

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