Bild: Hannes Henz

CO2 und Quittungen

Der Zürcher Gemeinderat hat einem Projekt für die CO2-Abscheidung aus dem Abgas der Klärschlammverwertungsanlage zugestimmt und (wieder einmal) über Quittungen bei Polizeikontrollen gestritten.

Die Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend startete mit der Verabschiedung des zurücktretenden Andreas Kirstein (AL, siehe auch P.S. vom 14. Juni). Zur Volksinitiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich» beziehungsweise zum Gegenvorschlag dazu (siehe P.S. vom 31. Mai) standen noch Redaktionslesung und Schlussabstimmung an, wobei sich keine Überraschungen mehr ergaben: Der Rat lehnte die Volksinitiative mit 73 gegen 34 Stimmen (der SP) ab und hiess den direkten Gegenvorschlag mit 58 gegen 49 Stimmen (von SVP, FDP, GLP und Mitte-/EVP) gut.

Negativemissionen generieren

Benedikt Gerth (Die Mitte) stellte als Kommissionssprecher die Vorlage «für den Bau einer CO2-Abscheidungsanlage auf dem Areal Werdhölzli» vor. Es geht um neue einmalige Ausgaben von 35,47 Millionen Franken und ab 2028 neue wiederkehrende Ausgaben von jährlich 14,21 Millionen Franken. Mit dieser Anlage soll CO2 aus dem Abgas der Klärschlammverwertungsanlage Zürich abgeschieden werden (siehe auch P.S. vom 2. Februar). So werden Negativemissionen generiert, die dazu beitragen sollen, dass die Stadt ihr Ziel, Netto-Null bis 2040, erreicht. Diese Ausgaben können nicht über die Abwassergebühren finanziert werden, weshalb ein neuer, steuerfinanzierter Buchungskreis eröffnet werden soll.

Aus der Klärschlammverwertungsanlage Werdhölzli gelangen jährlich 22 000 Tonnen CO2 in die Umwelt: «Um diese Emissionen weitestgehend zu reduzieren, wurde der Bau einer CO2-Abscheidungsanlage in einer Machbarkeitsstudie geprüft und bestätigt», heisst es in der Vorlage. Für die Abscheidung soll die sogenannte Aminwäsche zur Anwendung kommen. Damit das abgeschiedene CO2 auch tatsächlich als Negativemission wirken kann, muss es dauerhaft gespeichert werden: Rund 50 Prozent der jährlichen CO2-Menge soll in Recycling-Beton von Schweizer Betonwerken gebunden werden. Der Rest wird ins Ausland transportiert und dort gespeichert – konkret voraussichtlich in der dänischen Nordsee, etwa 2000 Meter unter dem Meeresboden unter einer Schicht aus Deckgestein.

«Ein globales Problem»

Benedikt Gerth schloss mit Verweis auf die Klimaziele der Stadt, ohne CO2 aus der Luft zu bringen, werde es nicht gehen. Deshalb stimme die Mitte-/EVP-Fraktion der Vorlage zu. Johann Widmer (SVP) hingegen sprach von «Greenwashing» und erklärte, das Vorhaben liesse sich günstiger realisieren. Ihm zufolge wäre es besser, «die Anlage nicht zu bauen und stattdessen die Steuern zu senken». Beat Oberholzer (GLP) erklärte, die Anlage brauche es, und es gehe auch darum, im Werdhölzli Erfahrungen zu sammeln im Hinblick auf eine allfällige grössere Anlage im Hagenholz. Dort steht allerdings ab 2028 erst der Umbau an. Ursina Merkler (SP) sagte, zuerst einmal gelte es soviel CO2-Ausstoss wie möglich zu vermeiden. Zürich werde eine der ersten Städte sein, die dank dieser Anlage damit Erfahrungen sammeln könne, den Rest des anfallenden CO2 abzuscheiden und dauerhaft zu speichern. An die Adresse von Johann Widmer fügte sie an, in den Kosten sei nicht nur das reine Abscheiden enthalten, sondern es gehe um die «ganze Prozesskette» inklusive Abtransport, Logistik etc.

Sibylle Kauer (Grüne) sagte, es brauche Negativemissionen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, deshalb seien sie dafür. Doch es gebe auch grundsätzliche Zweifel, denn es handle sich um ein globales Problem. Deshalb wäre es am Sinnvollsten, wenn zum Beispiel eine Lagerstätte unter dem Meeresboden in Norwegen mit CO2 aus Norwegen gefüllt würde und das CO2 von hier in hiesigen Beton oder Asphalt ginge. Emanuel Tschannen (FDP) erklärte, als «erste Ökopartei» seien die Freisinnigen solchen Ideen gegenüber offen und als Bürgerliche würden sie «kritisch hinterfragen», was der Staat vorhabe und zu welchen Kosten. Sie seien aber trotzdem dafür. Als einziger Grüner gab schliesslich noch Matthias Probst bekannt, er stimme dagegen. Er störte sich vor allem am langen Transportweg in den Norden via Lastwagen, Bahn und Schiff. Mit 100 gegen 13 Stimmen (von SVP und Probst) hiess der Rat die Vorlage gut.

Keine Quittungen…

Die Parlamentarische Initiative (PI) der AL-Fraktion zur Abgabe von Quittungen bei Personenkontrollen löste erwartungsgemäss eine engagierte Debatte aus, obwohl das Thema Racial Profiling beileibe nicht zum ersten Mal auf der Traktandenliste stand (P.S. berichtete). Michael Schmid (AL) erklärte, Racial Profiling finde weiterhin statt. Er verwies darauf, dass das Thema ausser im Gemeinderat auch in Berichten des Ombudsmanns bzw. früher der Ombudsfrau regelmässig vorgekommen sei bzw. vorkomme. Auch der europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe die Stadtpolizei schon wegen Racial Profiling gerügt. Quittungen könnten dazu beitragen, dass die Polizei bewusster kontrolliere und nicht nur «aus dem Bauch heraus». Die Quittung sollte den Namen des:der Kontrollierten enthalten sowie den Grund, weswegen er:sie kontrolliert wurde.

…aus juristischen Gründen

Allerdings lautete der Antrag der vorberatenden Kommission, die PI abzulehnen: Severin Meier (SP) erklärte, dass das Vorhaben «leider aus juristischen Gründen» nicht umsetzbar sei, «obwohl das diametral unseren politischen Interessen widerspricht». Deshalb enthalte sich die SP der Stimme. Er und sein Fraktionskollege Reis Luzh­nica würden aber noch gleichentags ein Postulat einreichen, um weitere Massnahmen zu fordern. Andreas Egli (FDP) empörte sich, Michael Schmid habe als Kommissionssprecher keine Vorstellung der Vorlage geboten, sondern die Meinung der AL. Tanja Maag (AL) erinnerte ihn daran, dass es sich nicht um eine Vorlage des Stadtrats handle, sondern um eine PI. Carla Reinhard (GLP) fasste zusammen, der Gemeinderat habe nicht die Kompetenz, die Abgabe von Quittungen zu erlassen, weshalb ihre Fraktion die PI ablehne. Derek Richter (SVP) erklärte, die Kantons- und die Bahnpolizei seien auch in der Stadt Zürich unterwegs und könnten keine Quittungen abgeben. Die AL wolle nur «die Arbeit der Stadtpolizei behindern». Wie alle Redner der SVP dankte er der Polizei für ihre Arbeit. Nach einigem weiteren Wortgeplänkel zwischen den beiden Ratsseiten erklärte Samuel Balsiger (SVP), der Drogenhandel in der Schweiz sei «in den Händen von Westafrikanern, und wenn nicht so viele Migranten das Recht brächen, hätten wir kein Problem». Aber gemäss ihren eigenen Beteuerungen halten sich die SVP-ler im Rat stets ans Thema… Mit 63 gegen 0 Stimmen bei 47 Enthaltungen (der SP, AL und Grünen) lehnte der Rat die PI ab.