Camp-Farce

Teresa Vittucci giesst ätzend ironischen Spott über die Bühne und trifft damit den beabsichtigten Hintersinn.
Bild: Benjamin Egger
Teresa Vittucci giesst ätzend ironischen Spott über die Bühne und trifft damit den beabsichtigten Hintersinn.

Sie sind so naiv wie Brad und Janet in der «Rocky Horror Show» und so girlish-dümmlich-hysterisch wie die Abziehbildversion von Best-Bitches. Teresa Vittucci und Alina Arshi begeben sich für «Sane Satan» in die Hölle. Die dortige ewige Verdammnis, womit seit jeher Sünder:innen gedroht wurde und was im übertragenen Sinne als Synonym für den unflätigen Umgang miteinander in schnell dahingetippter Einwegkommunikation gelesen werden kann. Hashtag Hate-Speech. In einer – die Unvorstellbarkeit von Ewigkeit suggerierenden – ungeheuren Langsamkeit schält sich Alina Arshi zu wummernder Clubmusik aus ihrer Ecke, ihrer Kleidung in Richtung Bühnenmitte. So zäh, als handelte es sich um den schwarzen Plastik am Boden (und auf den Stühlen des Publikums) um klebriges Pech. Über ihr schiessen Rotlichtstrahlen in den Raum. Interpretierbar sowohl als Laserschranken aus dem Actionfilm, der unaufhaltsam fortschreitenden Gesamtvereinnahmung des Raums durch die mit der Farbe assoziierten Höllenallegorie oder als (verbale) Spitzen, die zielgenau ein Herz ins Innerste treffen. Knall auf Fall galoppieren Wildpferde über die Rückwand. Der gesamte Bühnenraum füllt sich mit Rauch. Als der sich wieder lichtet, sitzt Teresa Vittucci an ihrer Stelle. Die Sitzposition erinnert an ein Kräftesammeln. Beide erkunden ihre neue, fremde Umgebung und stellen sich doof-dümmlich-hilfsbedürftig, wie das aus einer möglichen Perspektive sämtlichen als Frauen gelesenen Personen als wesensimmanent unterstellt wird. Im verbalen Austausch schenken sie sich nichts. Ihre gegenseitige Zuneigung indes steht als festes Fundament unter allen Erschütterungen, und stammten diese auch aus der untersten Schublade. In früheren Jahrzehnten wäre dies als typisch tuntiges Gehabe durchgegangen. Heute ist Diven-like diverser. Auf ihrer Entdeckungsreise von bislang ungeahnten Reizen respektive im Umkehrschluss eben Gefahren (der moralischen Integrität beispielsweise), ähneln sie durchaus dem Verlauf der «Rocky Horror Show», in der die völlig unbedarften Brad und Janet in einer frühen trans-Variante der Geschichte von Frankensteins Monster die anziehende Lüsternheit erkennen und rasch auch lieben lernen. Der Trashfaktor hier ist nochmals um einiges gesteigert und wenn sich die beiden Performer:innen erschrocken fürchten und eng aneinander schmiegen, kippt die Fragestellung: «Are you gay?» Um kurzerhand mit einem lapidaren «never mind» aus in allen erdenklichen Perspektiven komplett irrelevant abgekanzelt zu werden. Eine Camp-Farce par excellence.

«Sane Satan», 25.8., Tanzhaus, Zürich.