- Kultur
Camouflage
Die Parallelen von Julia Webers Text zum regelrechten Lebensideal, das Henry David Thoreau vor einhundertsiebzig Jahren in «Walden» beschrieben hatte, ist von der Grundstimmung her augenfällig. «Zum Beispiel Wölfe» beschreibt zwei Personen, die sich auf der Suche nach dem echten Leben in die Wildnis zurückziehen. Der Ankündigung nach befinden sie sich – Mona Petri und Nils Torpus – bereits weit in ihrer zweiten Lebenshälfte und suchen angesichts der aktuellen weltlichen Herausforderungen nach einer philosophisch grundierten Alternative für ein Zusammenleben zwischen Mensch und Tier und Mensch und Natur. Mit dem übergeordneten Interesse am Erreichen eines Zustandes des wahren Seins. Trotz teils direkter Ansprache bleibt der didaktische Impetus mehrheitlich sanft stupsend, die filigrane Poesieherstellung kaum gefährdend. Er staunt freudig über die Fülle der Klänge, die erst in einer Stille überhaupt hörbar werden. Sie zeigt sich überrascht über die eigenständige Entwicklung ihres Zweitkindes, das sie vor zehn Jahren vergessen hatte, wieder mit nach Hause zu nehmen. Der Stücktext folgt weniger einem Handlungsnarrativ als er assoziativ den zahllosen (Über-)Lebensaspekten, die von einer solchen Neuverortung unterschiedlich betroffen wären, eine je zwischen Fantasterei und dem logischerweise Nächstgelegenen changierenden Auslauf bietet. Aus Fellen, Stecken, Steinen und aber auch Plastik erschaffen sie dem bayrischen Wolpertinger nicht unähnliche menschengrosse Fabelwesen, in die sie sich zuletzt zurückziehen und mittels digitaler Camouflage bis zur eigenen Unkenntlichkeit verschmelzen können. Sprachlich wird dieser Prozess begleitet von ungeheuer nach dem ursächlichen Sinn des Daseins suchenden Fragenkomplexen, die dadurch einladend wirken, als sie zumeist bereits von jedem zweifelnd, fragenden, denkenden Kopf bereits einmal gedacht worden sind. Also eine Brücke bilden.
«Zum Beispiel Wölfe», bis 19.3., Theater Winkelwiese, Zürich.