Bundesrätinnen

Die Spannung blieb kurz an diesem Mittwochmorgen. Dabei hatten sich die Medien und einige Fraktionen (darunter auch die SP) alle Mühe gegeben, es noch spannend zu machen. Der Fall war klar und schnell. Als erste wurde die Walliser Nationalrätin Viola Amherd bereits im ersten Wahlgang mit 148 Stimmen gewählt. Auf ihre Konkurrentin, die Urner Regierungsrätin Heidi Z’graggen, entfielen 60 Stimmen. Bei der Ersatzwahl der FDP hatte gar niemand erst Spannung erwartet. Die St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter schaffte es denn auch ebenso im ersten Wahlgang mit 154 Stimmen, nur wenig mehr als zuvor Viola Amherd. Hans Wicki erhielt 56 Stimmen. Es lässt sich spekulieren, ob es grosso modo dieselben waren, die auch Heidi Z’graggen gewählt haben.

 

Dies ist durchaus bemerkenswert. Es ist ein historisches Ereignis, dass gleich an einem Tag zwei Frauen, die 8. und die 9. Bundesrätin in der Geschichte der Schweiz, gewählt wurden. Es zeigte sich vor allem aber auch, dass ein Parlament überparteilich und klar jenen Kandidatinnen die Stimme gibt, die sie für die Qualifiziertesten halten. Dies war bei Viola Amherd und bei Karin Keller-Sutter eigentlich von Beginn an klar, es akzentuierte sich in den Hearings noch zusätzlich.

 

Es ist meine dritte Bundesratswahl. Ich war schon bei der Wahl von Guy Parmelin und jener von Ignazio Cassis dabei. Und selbstverständlich auch in der Bellevue-Bar an der berühmten Nacht der langen Messer. Aber jetzt so beim dritten Mal, hat die Wahl nicht an Bedeutung, aber ein wenig an Glanz verloren. Der Medienzirkus scheint jedes Mal gigantischer zu werden, aber wirklich ernst nehmen sich dabei auch die JournalistInnen selber nicht mehr. Man steht da also ein wenig an der Bar, trinkt überteuerte Getränke und plaudert, ein Klassentreffen in der Öffentlichkeit.

Ist man also schon ein paar Mal dabei, fällt einem immer mehr auf, wie sich manchmal mediale und parlamentarische Wirklichkeit unterscheiden. Während die Bundesratswahl zum Schluss eine kurze Sache war, hatten – allen voran die Sonntagszeitungen – während Wochen versucht, Geheimpläne und Sprengkandidaten (keine innen) zu suchen und aufs Schild zu heben.

 

Da Karin Keller-Sutter von Beginn an als klare Favoritin ins Rennen gestiegen ist, konzentrierte sich die mediale Aufmerksamkeit auf die CVP. Und da wurde dafür umso mehr gemäkelt, die Qualität der KandidatInnen (vor allem der innen) infrage gestellt. Die CVP stelle hier die zweite Garde auf, durften dort Parlamentarier der vierten Garde in Mikrofone sagen. Man habe die besten Kandidaten (keine innen) nicht aufgestellt.
Besonders oft wurde Gerhard Pfister genannt. Er sei blitzgescheit, hiess es. Und nicht nur von jenen Parlamentariern der vierten Garde, die im Vorfeld der Bundesratswahlen Hochkonjunktur haben, weil sie endlich einmal ein wenig Aufmerksamkeit der Bundeshausjournalist­Innen erhalten. Nein, auch die Mehrheit der PolitjournalistInnen (meistens allerdings keine innen) sang das Pfister-Loblied.
Nicht berücksichtigt wurde dabei, dass Pfister wohl der einzige Sprengkandidat sein dürfte, der die Wahl ganz sicher nicht annehmen kann. Als Parteipräsident die offiziellen Kandidatinnen zu desavouieren ein dreiviertel Jahr vor den Wahlen, das macht kein Parteipräsident, der seine Aufgabe halbwegs ernst nimmt. Auch nicht Pfister, der daher auch in jedem Interview Interesse an der Wahl klar dementierte.
Dass der blitzgescheite Pfister zuweilen gegen den späteren Abend doch eher trumpeske Tweets absondert, verstärkt sein Bundesratsformat auch nicht. Dass dies den JournalistInnen, für die Twitter doch das Lieblingstummelfeld ist (die Schreibende nimmt sich nicht aus), nicht aufgefallen ist, mag doch bezweifelt werden. Und somit blieb die Pfister-Sprengkandidatur wohl nur das Wunschbild einiger, die vielleicht etwas krampfhaft noch Spannung in die Wahl hineinbringen wollten.

Ach ja, auch ein zweiter Sprengkandidat wurde genannt: Bundeskanzler Turnherr, der ebenfalls niemals Interesse am Amt bekundet hatte. Kurz ein Thema waren ein paar kleinere Geschichten rund um Viola Amherds berufliche Tätigkeiten im Wallis, die aber letztlich vor allem einen kleinen Einblick in eine etwas schwierige Politkultur im Bergkanton gaben und offenkundig kein Hinderungsgrund darstellten.

 

Die Ausgangslage war also schon offener bei Bundesratswahlen. Aber klar ist immer: SprengkandidatInnen und Geheimpläne, die in den Medien bekannt gegeben werden, sind keine. Und in der Bellevue-Bar sind sie garantiert auch nicht zu finden. Es ist ein bisschen Theater, das wir hier spielen, die JournalistInnen und die PolitikerInnen. Und alle wissen darum und um die Rolle. Aber wenn es bei den nächsten Wahlen auch wieder so unaufgeregt zu und her gehen wird, so schiene mir das durchaus wünschenswert.

 

Es wurden zwei gute und fähige Frauen in den Bundesrat gewählt, aber beileibe keine Linke. Und man tut gut daran, die Rolle der Bundesrätinnen und -räte nicht zu überschätzen. Ja, sie sind wichtig. Aber wir haben hier kein Präsidialsystem, keine Konkurrenzdemokratie. Sondern ein fein austariertes System, das keiner Ebene zu viel Macht einräumt. So auch nicht dem Bundesrat.
Dass dieser auch trotz Popularität und grosser Erfahrung auch auflaufen kann, musste diese Woche Doris Leuthard bei der Beratung des CO2-Gesetzes erleben. Die Mehrheit aus FDP und SVP und einem CVP-Renegaten genügte, um diesem Gesetz die letzten Zähne zu ziehen. So strich die Mehrheit des Parlaments die Inlandziele bei der Klima-Kompensation einfach raus. Als ob unsere Wirtschaft nicht in der Lage wäre – und teilweise auch darauf wartet – diese Leistungen im Inland zu erbringen.
Damit zeigt sich das Parlament weder innovationsfreudig noch irgendwie bereit, die grosse Herausforderung des Klimawandels ernsthaft anzugehen. Von weiteren anstehenden Probleme ganz zu schweigen. Um hier etwas zu ändern, wird es auch Wahlen brauchen. Die werden und müssen wohl aber weniger unaufgeregt werden.

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