Bund will Online-Handel verteuern

Was P.S. 2019 vorschlug, soll jetzt umgesetzt werden: Eine Verkehrsabgabe, analog zur LSVA , auch auf Liefer- und leichten Lastwagen.

 

Hanspeter Guggenbühl

 

Mehr Lieferwagen kurven häufiger durch Städte und Dörfer. Sie belästigen die Bevölkerung mit Lärm und belasten das Klima mit wachsenden CO2-Emissionen. Das ist einerseits auf den zunehmenden Online-Handel zurückzuführen, andererseits auf die Liberalisierung, die neben der Post privaten Anbietern den Zugang zum Paketversand öffnete. Seither fahren neben der Post oft mehrere private Lieferwagen am gleichen Tag mit wenigen Päckli ins Quartier. 

Die Liberalisierung machte den Transport von Gütern nicht nur lästiger, sondern auch unproduktiver. Das belegt die Statistik sowie die Grafik, welche P.S. schon am 22. November 2019 veröffentlichte (siehe Grafik): Der Verkehr der Liefer- und leichten Lastwagen, gemessen in Fahrzeugkilometern (Fzkm), stieg von 1998 bis 2018 um rund 60 Prozent. Ihre transportierte Fracht hingegen, gemessen in Tonnenkilometern (tkm), nahm in diesen 20 Jahren um weniger als 20 Prozent zu. Das heisst: Pro Kilometer Fahrt transportierten die leichten Nutzfahrzeuge (bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht) immer weniger Güter; im Jahr 2018 im Schnitt nur noch 200 Kilo Waren pro Fahrzeug. Vor allem ab 2008 öffnete sich beim leichtgewichtigen Güterverkehr die Schere zwischen Fahrdistanz und Transportleistung. 2019 und vor allem im Jahr 2020, als die Corona-Krise den Onlinehandel explodieren liess, schwoll der Lieferwagenverkehr erneut stark an (die Güterverkehrsstatistik übers Jahr 2020 wird diese Aussage bestätigen, liegt heute aber noch nicht vor). 

 

Ständerat und Bundesrat wollen LSVA erweitern 

Um diese Fehlentwicklung zu korrigieren, schlug P.S. am 22. November 2019 unter dem Titel «Lieferwagen wurden lästiger als schwere Laster» die «Einführung einer LLVA» vor – eine «Leistungsabhängige Leichtverkehrsabgabe» für Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Die vorgeschlagene Abgabe orientierte sich an der LSVA für schwere Laster (über 3,5 Tonnen), welche die Schweiz nach dem Ja zur «Alpeninitiative» schon 2001 eingeführt hatte. Diesen Vorschlag hat die freisinnige Fraktion des Ständerats erhört. Sie reichte ein Jahr später, im Dezember 2020, eine Motion ein mit folgendem Wortlaut: «Der Bundesrat wird beauftragt, für gleich lange Spiesse zwischen Lastwagen (über 3,5 t) und Lieferwagen (unter 3,5 t) zu sorgen. Hierfür hat er eine gesetzliche Grundlage zu schaffen für die Deckung der externen Kosten, welche durch den gewerbsmässigen Strassengüterverkehr mit Lieferwagen in der Schweiz verursacht werden.» (…) «Zu prüfen», so heisst es in der Begründung, «sind eine Pauschalabgabe oder eine leistungsabhängige Abgabe». 

Der Ständerat hat diese Motion in der Märzsession oppositionslos überwiesen. Der Bundesrat selber hatte in seiner Stellungnahme beantragt, diese Motion anzunehmen und versprochen: «Der Bundesrat ist bereit, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um Lieferwagen, die für den gewerbsmässigen Gütertransport eingesetzt werden, in das Abgabesystem der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) zu integrieren.» 

Der Nationalrat dürfte in der nächsten Session diesem Beschluss folgen. Damit kann der Bundesrat den Auftrag dieser Motion umsetzen. Erfahrungsgemäss wird es allerdings noch einige Zeit dauern, bis das Gesetz formuliert und von allen Instanzen bewilligt wird.  

Die jetzt angestossene Abgabe für den leichten Güterverkehr soll sich also an der bestehenden Abgabe für schwere Laster orientieren, welche die Schweiz 2001 einführte. Diese LSVA wirkte sich positiv aus: Seit ihrer Einführung stagnierte der Schwerverkehr auf der Strasse, gemessen in Fahrzeugkilometern (Fzkm), auf dem damaligen Niveau. Die Transportleistung des Schwerverkehrs in Tonnen mal Kilometer (tkm) hingegen nahm auf der Strasse weiter zu. Denn die LSVA, verknüpft mit der Erhöhung der Gewichtslimite auf 40 Tonnen, bot den Transporteuren einen finanziellen Anreiz, um ihre grossen Lastwagen durch Vermeidung von Leerfahrten besser auszulasten, also ihre Produktivität zu steigern.

 

Lackmusprobe steht noch bevor 

Die in der Motion erwähnten «externen Kosten», die der leichte Güterverkehr auf der Strasse verursacht und heute auf die Allgemeinheit abwälzt, belaufen sich gegenwärtig auf rund 750 Millionen Franken pro Jahr oder umgerechnet auf rund 20 Rappen pro gefahrenen Kilometer. Die Überwälzung dieser Kosten auf die vorgesehene Abgabe bietet einen Anreiz, die leichten Nutzfahrzeuge analog zum Schwerverkehr besser auszulasten. Sie wird damit den lästigen Lieferwagenverkehr vermindern oder zumindest sein steiles Wachstum bremsen – je nach Höhe. Die Höhe der künftigen Abgabe im angekündigten Gesetz dürfte allerdings umstrittener sein als der jetzt gefällte Grundsatz, eine solche Abgabe einzuführen. Die Lackmusprobe für die Lieferwagen-Abgabe steht also noch bevor.

 

Grafikquelle: Bundesamt für Statistik, Berechnung: Guggenbühl, Grafik: Südostschweiz

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