Freiheit: ein grosses Wort. Viele nehmen es in den Mund, versprechen Freiheit von was auch immer. Doch was ist Freiheit, und was bedeutet sie uns heute? Heisst Freiheit nicht auch, sich gesellschaftlich und politisch zu engagieren, die Stimme zu erheben, wenn die eigene Freiheit und jene der Anderen eingeschränkt wird? Wer gibt uns Freiheiten und wer nimmt sie uns? Hannah Arendt geht in einem Essay, das lange nach ihrem Tod erschienen ist, dem Begriff Freiheit nach.
Ausgangspunkt des Essays ist der Vergleich der Amerikanischen mit der Französischen Revolution. Die beiden Volksaufstände unterscheiden sich. In Frankreich war es ein Aufstand aller Unterdrückten unter dem Motto «gleiche Rechte für alle». Anders in den USA. Die nach Unabhängigkeit strebenden Anhänger der Amerikanischen Revolution hatten nur ihr eigene politische Freiheit im Blick. Die Aufständischen interessierte das Unterdrücktsein ihrer Sklaven nicht und sie liessen diese auch nicht aktiv an der Revolution teilhaben. Ein Kernsatz im Text von Arendt lautet, dass «nur diejenigen, die die Freiheit von Not kennen, wissen die Freiheit von Furcht in ihrer Bedeutung zu schätzen, und nur diejenigen, die von beidem frei sind, von Not und wie von Furcht, sind in der Lage, eine Leidenschaft für die öffentliche Freiheit zu empfinden …». Mit Bezug auf Rosa Luxemburg bedeutet für Arendt Freiheit deshalb auch, sich an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. Interessant ist die Aussage von Arendt, die selbst keine Kinder hatte, dass jede Geburt eine «Revolution» ist, da sich die Welt so «immer wieder und für immer erneuert».
In seinem Nachwort bezeichnet Thomas Meyer diesen Essay als «ein zeitlos anmutendes Plädoyer für aktive Wachsamkeit. Eine Wachsamkeit, die sich sowohl der Möglichkeiten als auch der Gefährdungen von Revolutionsversprechen und Freiheitsutopien bewusst ist». Der Text von Hannah Arendt, basierend auf einem Vortrag vor rund 60 Jahren in den USA, wurde erst 2018 publiziert und ins Deutsche übersetzt. An Aktualität hat der Text nichts verloren – im Gegenteil.
Hannah Arendt: Die Freiheit, frei zu sein. Essay, dtv, 2018, 64 Seiten, ca. 14 Franken.