Das Hauptthema – des 1981 erstmals erschienenen Romans – ist schon auf der ersten Seite klar. An der renommierten Harvard-Universität ist man (Mann) bestürzt. Ein anonymer Stifter finanziert einen Lehrstuhl an der anglistischen Fakultät mit der einzigen Bedingung: Es muss eine Frau sein. Die Geschichte, die sich daraus ergibt, ist unfassbar, amüsant und geistreich.
Im Mittelpunkt steht Janet Mandelbaum, sie wird an den gestifteten Lehrstuhl berufen. Ihr Schwerpunkt ist Lyrik des 17. Jahrhunderts. Die Professorin hat in Harvard einen schweren Stand. Die patriarchalen Professoren lehnen sie ab, die Studierenden vermissen die feministische Sicht. Ein dubioses Vorkommnis ruiniert endgültig Jane Mandelbaums Ruf: Nach einer Party wird sie stockbetrunken in einer Badewanne gefunden, dies erst noch im Beisein einer bekannten Feministin, die in einer Frauenkommune lebt und um das Sorgerecht für ihre Kinder kämpft.
In ihrer Verzweiflung ruft Jane Mandelbaum Kate Fansler zu Hilfe. Die beiden kennen sich aus Studienzeiten. Kate Fansler, bekannt für ihren Spürsinn aus früheren Krimis von Amanda Cross, lässt sich bitten, nimmt Urlaub von ihrer eigenen Uni und reist nach Harvard, um Professorin Mandelbaum beizustehen. Zu ihrer grossen Überraschung trifft Kate dort zusätzlich auf eine studierende Nichte und auf eine alte Liebe aus ihrer eigenen Studienzeit. Der Mann war für kurze Zeit mit Janet Mandelbaum verheiratet gewesen. Das Drama in der Badewanne gerät in den Hintergrund, als Janet vergiftet in der Herrentoilette aufgefunden wird. Da geraten einige Personen unter Mordverdacht. Janets Exmann wird als Hauptverdächtiger verhaftet. Kate ist von seiner Unschuld überzeugt, die mühsame Aufklärung gelingt ihr.
Die dramatische Geschichte erscheint mir als Leserin mehr Rahmenhandlung zu sein, um einerseits die damaligen Strukturen von Harvard aufzuzeigen und um andererseits radikalen Feminismus zu thematisieren. Amanda Cross (Alias für Carolyn Gold Heilbrun) war eine feministische Literaturwissenschaftlerin an der Columbia University. Der oft eingestreute Bezug zu Literatur und Wissenschaft – Name-dropping – zeugt von ihrem grossen Wissen. Der Roman spiegelt die US-Gesellschaft der 1970er-Jahre, die sich mit feministischen Forderungen schwer tat. Der Plot deckt sich kaum mit wahren Ereignissen, wohl aber mit konservativen Haltungen. Die Stellung der Frauen in Harvard war auf jeden Fall lange sehr kompliziert.
Amanda Cox, Die Tote von Harvard, Dörlemann Verlag, 2024, 288 Seiten, ca. 30 Franken