- Kultur
Bitter
Die Aufenthaltsorte für Menschen sind streng separiert. Die Willfährigen leben unter der umfassenden Kontrolle einer KI namens Sohjus ein medizinisch indiziertes ewiges Leben auf einem Exoplaneten. Der Rest siecht auf Erden völlig unbehelligt seinem Krepieren entgegen. Auf der vermeintlich sicheren Seite wünschen sich Mia (Elizabeth Olsen) und Aaryan (Himesh Platel) ein Kind, wofür sie das titelgebende Assessment über sich ergehen lassen müssen. Der Verlust der Fähigkeit zu einer humanen Reproduktion ist leider einer der Kollateralschäden des täglich einzunehmenden Senoxodin, das Altern, Krankheit und den Tod verhindert. Fleur Fortuné ist nach Sophie Barthes («The Pod Generation») bereits die zweite Filmemacherin innerhalb eines Jahres, die dem letzten Männertraum zur Erlangung kompletter Macht eine Dystopie ausmalt, ohne allzudeutlich anzuprangern, auf welch hierarchischem Gedanken die Idee fusst, Frauen im Allgemeinen von der Last von Schwangerschaft und Geburt befreien zu wollen. Bei Sophie Barthes musste sich ein Paar um die Entscheidungshoheit über den im digitalen Kunstuterus heranwachsenden Embryo zurückerkämpfen. Fleur Fortuné setzt bereits voraus, dass Schwangerschaft und Kinderkriegen nichts mit einem Frauenkörper zu tun hat, aber ein potenziell kinderwilliges Paar eine einwöchige Aneinanderreihung von Extremsituationen über sich ergehen lassen muss, um die Eignung für eine Elternschaft unter Beweis zu stellen. Virginia (Alicia Vikander) ist die Abgesandte, die unvermittelt zwischen den Rollen der Prüferin, eines emotional und situativ herausfordernden, renitent zerstörungslustigen Kleinkindes und einer auf Abwegen verlockende Frau hin- und herwechselt und fein säuberlich protokolliert, wie weit ihre Provokationen aufgefangen, ertragen oder pariert werden oder schlicht eskalieren. Schock folgt auf Schock, aber wirklich bitter wird erst das Finale. Für die Frau notabene.
«The Assessment» spielt in den Kinos Arena, Frame.