Betonköpfe

Daniela Löffner lässt es auf der Pfauenbühne Asche regnen, die jedoch die Häupter ihrer Figuren in Lessings «Nathan der Weise» nicht treffen. Damit klagt sie klar die Betonfraktionen übertriebener Religiosität an.

 

Es ist ein Irrlichtern der religiösen Festgefahrenheiten und die Notwendigkeit der Aufklärung, erfährt in Daniela Löffners Inszenierung eine nachgerade didaktische Deutlichkeit. Das Vermögen, sich selbstkritisch zu hinterfragen, ist im Bühnenpersonal ungleich verteilt, und eine direkte Überführung in ein Heute ist anhand der vorhandenen Begabungen dazu nicht ablesbar. Wenngleich sich ein vermeintliches Sicherheitsgefühl durch einen Hoheitsanspruch des eigenen Glaubens noch immer in allen Weltreligionen anhand ihrer FundamentalistInnen als existierend angesehen werden muss. Anhand der allseits gegenwärtigen Eiferer lassen sich also keine Ranglisten erstellen. Die Bereitschaft, sich Asche aufs Haupt zu streuen und reumütig die eigene Verirrung zu erkennen, steht in der symbolhaften Verwendung von Ascheregen in Daniela Löffners Inszenierung, als nach wie vor bestehende Schräglage, die sogar noch die Richtung ändern kann, zuletzt also komplett unberechenbar wird. Trotz der Symbolkraft diese Einfalls gebärdet sich der nahezu dreistündige Abend im Pfauen letztlich doch als sich fühlbar reichlich hinziehend, denn der beste Einfall in Sachen Ausstattung kann sich hinsichtlich der Dramaturgie rasch einmal in ein Gegenteil verkehren und jede weitere mögliche Virtuosität einer Inszenierung über Gebühr in ihrer Entfaltung behindern. Sofern beabsichtigt, wäre dieses nicht als feste Materie erkennbare Korsett wiederum trotzdem eine hintersinnige Überführung des inhaltlichen Gefangenseins der Figuren in eine nur scheinbar hybridere und damit offenere Jetztzeit. Dergestalt gelesen, wäre Daniela Löffner der Geniestreich geglückt, um die aktuell verbreitete Scheinheiligkeit in der Behauptung einer vorhandenen und verstandenen Toleranz in eine kunstvolle Form zu überführen und das eigentliche Geschehen auf den Brettern der Bühne diente einzig dem Zweck, den potemkinschen Charakter ebendieser Toleranzbehauptung mit grossem Brimborium zu vertuschen.

 

«Nathan der Weise», bis 29.4., Pfauen, Schauspielhaus.

 

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.