Besinnlich

Kümmert es den Sinn des Lebens – im Film Glaube genannt –, wenn sich ein Mensch daran macht, danach zu suchen und eine Antwort darauf zu finden, und darin weniger spürbar zu einem Schluss gelangt, als vielmehr ein Leben lebt und gerade mit diesem Tun die ursächliche Frage beantwortet? Und: Ist das tröstlich?

Durch den Unfalltod seiner Schwägerin ist Thien (Le Pong Vu) gezwungen, den diesbezüglichen theoretischen Disput seiner Freunde in Saigon abrupt abzubrechen und ihren Leichnam zurück ins Herkunftsdorf zu überführen, um sie zur letzten Ruhe zu betten. Mit deren Kind Dao (Nguyen Thinh) im Gepäck trifft er in der eigenen alten Heimat auf Spuren von unbeantworteten Fragen aus der Vergangenheit. Bezüglich der eigenen mit seiner früheren Liebe Thao (Nguyen Thi Truc Quynh), die aber in einen Orden eingetreten ist. Bezüglich Daos Zukunft mit dessen unbekannt verzogenen Kindsvater, seinem eigenen grossen Bruder. Pham Thien An inszeniert das Bild als stille Beobachterin, die eine eher kreisförmige Vorwärtsbewegung der Erzählung beschreibt, als schnurstracks an einen Punkt gelangen zu wollen. Insbesondere die Alten, ein altruistischer Leichentuchschneider und eine vermeintlich verwirrte ehemalige Werkstatteignerin, erweitern sein bereits geduldig gelassen vorgeführtes Tagwerk je mit ihren nachgerade existenziell weit ausschweifenden Erzählungen mit unvermuteten weiteren Dringlichkeiten. Sie erheben jedes Erledigen von konkreten Aufgaben auf die Ebene eines Bewusstseinsaktes, der jede Frage und jede Antwort in sich vereint. Der gleichaltrige Schwager Trung (Vu Ngoc Manh) ist ihm ein weiterer Spiegel auf seinem Abenteuer, das Wachzustand, Träumerei und Wunschvorstellung auf einander ergänzende Weise zusammenführt und sämtliche virtuos ineinandergreifenden Komplexe intuitiv über jede Sprach- und Mentalitätsgrenze hinaus verständlich werden lässt. Drei Stunden Nichts. Und drei Stunden Alles.

«Inside the Yellow Cocoon Shell» spielt im Kino RiffRaff.