Beleidigte Banker

Es scheint vielleicht ein wenig undankbar, wenn ich von zwei Anlässen, zu denen ich eingeladen war, eine Kleinigkeit herauspicke. Und die Kleinigkeit nicht so nett ist.  Ich war zum ersten Mal ans Tages-Anzeiger-Meeting eingeladen (was mir die Ehre verschaffte, weiss ich nicht). Dort sprach Joe Ackermann, der ehemalige Chef der Deutschen Bank zum Thema Entfremdung zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Seine Rede blieb mehrheitlich im belanglos Behaglichen der wohlfeilen Sonntagspredigten, die zu diesem Thema immer gehalten werden. Es braucht Vertrauen, Dialog, wieder mehr Konsens und wieder mehr Engagement aller. Finden wir doch alle. Auffällig war auch nicht, dass er zugab, dass während der Finanzkrise Fehler gemacht wurden. Es scheint quasi die Standard-Sprachregelung Branche zu sein. Denn das sagten auch die Vertreter der Credit Suisse, an einer Veranstaltung mit Gemeinderätinnen und Gemeinderäten. Es wurden Fehler gemacht (von wem wird jeweils nicht gesagt). Das wurde ihnen vermutlich von Kommunikationsberatern geraten: Ihr müsst Fehler zugeben, das erhöht die Glaubwürdigkeit.  Der Satz wirkt aber wie ein Lippenbekenntnis, weil sofort danach der Aufruf folgt, man solle doch jetzt langsam wieder zur Tagesordnung übergehen. Es wurden Fehler gemacht. Aber jetzt wird doch übertrieben mit der Regulierung. Darum wirkt es ein bisschen – der böse Vergleich sei mir erlaubt – wie wenn gewisse Deutsche finden, es sei denn nun mal gut mit der Selbstkasteiung und den Gedenkfeiern. Da ist SVP-Stadtparteipräsident und Banker Roger Liebi viel ehrlicher, der im Gemeinderat jedes Mal in Rage gerät, wenn jemand in einer Debatte zu sagen wagt, dass die beiden Grossbanken seit der Finanzkrise keine Steuern mehr zahlen. Sie würden nämlich schon Steuern zahlen. Die armen Angestellten müssen schliesslich ihre Boni besteuern besteuern schliesslich ihre Boni und zudem muss die Credit Suisse noch Grundstückgewinnsteuern zahlen, wenn sie jetzt ihr Tafelsilber verscherbelt. Dafür sollen wir dankbar sein. Endlich aufhören, die Banken und den Finanzplatz schlecht zu reden. Und dass die Linken die Steuergelder ja gerne kassiert hatten. Man muss keine altrömischen Kaiser zitieren, um festzuhalten, dass der Hinweis auf Steuerpflicht keine politische Unterstützung darstellt.  Steuern sind nach wie vor der relativ günstige Preis für eine zivilisierte Gesellschaft – um doch noch ein Zitat zu platzieren.

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Um Steuern geht es auch bei der Unternehmenssteuerreform III, die wie ein Damoklesschwert über Kantonen und Gemeinden hängt. Unbestritten ist, dass die Reform zu grossen Steuerausfällen führt. Gestritten wird noch um die Höhe und die Verteilung. Das Ganze erinnert ein wenig an das Bonmot von Karl Valentin: Alle sind unzufrieden, kommen wird sie trotzdem. Zur Erinnerung: Die Unternehmenssteuerreform wurde ausgelöst durch internationalen Druck: Die Schweiz soll steuerliche Sonderprivilegien aufgeben. Die Reaktion von Regierungsrätin Ursula Gut und einiger ihrer Kollegen war ursprünglich, dass die Privilegien aufgehoben werden und dafür die Gewinnsteuer gesenkt werden sollen. Quasi Steuerdumping für alle statt für wenige. Davon ist die Regierung in ihrer Vernehmlassung zwar abgekommen und sie moniert auch die Steuerausfälle, die durch die Unternehmenssteuerreform III kommen sollen. Das Instrument Kapitalgewinnsteuer, das wenigstens einen Teil kompensieren könnte, lehnt sich aber ab. Wie die Rechnung dann aufgehen soll,  bleibt das Geheimnis der Regierung. Ob aus der Vorlage im Bundesparlament etwas Klügeres wird, ist wenig wahrscheinlich – das Gegenteil davon schon eher. Warum man nicht einfach die Sonderprivilegien abschafft (für die meisten Kantone inklusive dem Kanton Zürich ist es sowieso nur mässig relevant) bleibt mir schleierhaft. Für Basel könnte man sich ja sogar eine zeitlich begrenzte Lizenzbox denken. Nicht gleich, aber irgendwie doch ähnlich verhält es sich mit der Strommarktliberalisierung, wo uns ein politisches Déjà-Vu droht. Das Volk hat zwar die Liberalisierung abgelehnt und sich bei verschiedenen Abstimmungen privatisierungskritisch gezeigt. Aber es wird kommen, weil es kommen muss. Man kann nicht einmal etwas auslassen, was bereits im Ausland schon in die Hosen ging. Magazin-Autor Daniel Binswanger nannte diesen Effekt in einem Vortrag einst „helvetische Stilverzögerung“. Offenbar ein Ausdruck aus der Kunstgeschichte, der meint, dass die Schweiz alle internationalen Trends und Monate mit einigen Jahren Verspätung auch nachvollzieht.

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Keine grosse Stilveränderung werden Sie im heutigen P.S. feststellen und sich vielleicht wundern, dass ein Stabswechsel so wenig Spuren hinterlässt. Veränderungen werden folgen – keine Bange. In zwei Wochen feiert das P.S. Geburtstag. Und dazu gönnen wir uns ein neues Gewand und eine neue Website. Und – P.S. wird an einem neuen Tag im Briefkasten liegen. Und zwar neu am Freitag. Der Hauptgrund: Bisher ging die Gemeinderatsberichterstattung meistens im Redaktionsschluss unter. Der zweite Grund: Am Donnerstag erscheinen beispielsweise auch die WOZ und die Zeit. Und so viel an einem Tag lesen können selbst P.S. Leserinnen und Leser in der Regel nicht.

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Die Redaktion fand es sinnvoll, dass ich mich noch kurz vorstelle, quasi für diejenigen, die nicht mit mir auf Facebook befreundet sind. Ich bin in Bern geboren, in Olten aufgewachsen und kam zum Studium nach Zürich. Journalismus oder Politik waren die zwei Richtungen, in die es mich schon beim damals zog. So war ich schreibend bei Studierendenzeitungen zu finden und politisierend im Studierendenrat. Danach war ich Kolumnistin bei 20 Minuten und Online-Redaktorin.  Nach dem Studium heuerte ich bei der SP Kanton Zürich an, landete über einen Abstecher beim Film als Kampagnenleiterin beim vpod, leitete zusammen mit P.S.-Kolumnistin Andrea Sprecher die Nationalratswahlen 2011 der SP Schweiz und war danach bei zwei Kommunikationsagenturen tätig. Seit 2002 bin ich für die SP im Zürcher Gemeinderat, seit 2009 Fraktionspräsidentin. Ich lebe privat eine rot-grüne Partnerschaft. Wollpullover trage ich nur selten.

 

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