Backstage

Quasi auf direktem Weg vom Grenzzaun in den Amerikanischen Traum landet Estela im unterirdischen Gängelabyrinth der Grossküche des New Yorker «The Grill», wo sie nur zur Arbeit eingewiesen wird, weil die Vorstellung irgendeiner hispanischen Hilfsarbeiterin auf dem Terminplan des Personalchefs steht. Der Mensch als solches gilt nichts, das wird ab der fünften Spielminute von «La Cocina» klar und in der folgenden Steigerung bis hin zum regelrechten Aberwahn von atemlosen zwei Stunden Gezänk, Gefrotzel und Schikane in seiner Gänzlichkeit ausgewalzt. Jede Kochstation ist ihr eigenes Königreich und findet somit im direkten oder auch dem gegenüberliegenden Nachbarherrscher einen potenziellen Feind, der mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft gehört: Provokation, Beleidigung und tätlicher Angriff gehen nahtlos ineinander über. Wer nicht zwischen die Fronten geraten will, muss sich unter die reihum unberechenbar lauernden Gefahren vorausahnend selbstständig wegducken. Die Köche sind allesamt Herren, das Servierpersonal besteht allein aus Frauen. Die Abhängigkeit respektive das vermeintliche Machtgefälle innerhalb einer Ohnmachtslage scheint festzustehen. Oder wird zumindest selbstredend zum Anlass genommen, um dem Sexismus und auch der Fremdenfeindlichkeit grosszügig Auslauf zu gewähren. Im Kleinen spiegelt sich dies in einer Liebesbeziehung zwischen Pedro (Paul Briones) und Julia (Rooney Mara) und ihrer ungewollten Schwangerschaft. Und in einem Fehlbetrag der letzten zurückliegenden Kassenabrechnung, der automatisch auf einen potenziellen Diebstahl hinweisen muss. Denn Fehler passieren, in einer an Hierarchien reichen Organisationspyramide, immer nur den jeweils Rangniedrigeren. Und zu sagen hat letztlich überhaupt niemand etwas. Also strampeln sie wie wild, treten gegen links und rechts und vor allem gegen unten in Erwartung von Anerkennung. ‹Survival of the fittest› als einsamer, ruhe- und gnadenloser Überlebenskampf.

«La Cocina» spielt in den Kinos Frame, Piccadilly.