(Bild: Reto Kaufmann)

Aus Privatbesitz

Andrea Lutz und David Schmidhauser unterlaufen mit ihrer Vallotton-Hängung zum grossen Jubiläum die Erwartungen.

Das Konvolut der im Kunst Museum Winterthur deponierten Sammlung an Werken von Félix Vallotton (1865-1925) als den grossen Stolz des Hauses bezeichnen zu wollen, wäre kaum vermessen zu nennen, stellt es doch das grösste in der Deutschschweiz überhaupt dar. Statt sich jetzt darauf auszuruhen, hat das Kurator:innenduo beschlossen, die grosse Schau zum Année Vallotton (vallotton2025.ch) nur zu ungefähr der Hälfte aus eigenen Beständen zu bestücken und dafür eine ungeheuer grosse Anzahl aus Privatbeständen zu zeigen. Die allgemeine Erwartung muss weichen, an ihre Stelle rückt dafür eine positive Überraschung, Werken zu begegnen zu können, die im musealen Kontext nur selten (bis in Einzelfällen noch überhaupt nie) anzutreffen sind. Das passt zum privaten Ursprung der dominierenden Sammlung Hahnloser-Jaeggli, in deren Wohnhaus der Villa Flora vorwiegend florale Gemälde und die beiden Holzschnittserien «Intimité» und «C’est la guerre» ausgestellt sind. Die Schau im dritten Stock des Reinhart am Stadtgarten ist entlang der Sujets, Stillleben, Landschaften, Portraits und Akte geordnet gehängt. Mit den ikonischsten an den neuralgischsten Punkten. Die Anlehnung des Ausstellungstitels an Honoré de Balzacs Roman «Illusions perdues» ist sehr freihändig gewählt, wird im Wandtext wiewohl im Essaykatalog als wörtliche Symbolik für die Abkehr von Gewissheiten durch die Moderne alias Zeitenwende sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kunst durchaus nachvollziehbar erläutert. Vallotton verabschiedete sich von der Malgepflogenheit des 19. Jahrhunderts, die Welt als solche allein abbilden zu wollen. Er unterfütterte die nach wie vor tendenziell klassisch erscheinende Sujetwahl mit absichtlich eingeflochtenen Makeln respektive eben gerade Infragestellungen dieser langjährig dominierenden Intention. Die liegende Grazie mit entrücktem Himmelsblick ist bei Vallotton zuerst einmal rein körperlich eher burschikos und trägt in ihrem Blick eine trotzige Leck-mich-Attitüde, was das Ausgestelltsein als Frauenkörper nicht auf Anhieb erkennbar in ein Gegenteil verkehrt, aber den Dialog mit den Betrachtenden in eine leidlich verschiedene Richtung lenkt und damit einen Punkt setzt. Der Affront, der eine solche Abkehr von jeder Gewohnheit von vor über einhundert Jahren dargestellt haben muss, lässt sich nur ungefähr erahnen. Die Replika des Nachrufs von Hedy Hahnloser-Bühler im Essaykatalog ist hierfür ein idealer Einstieg.

Félix Vallotton: «Illusions perdues», bis 7.9., Kunst Museum Winterthur / Reinhart am Stadtgarten & Villa Flora. Katalog.