Auftakt zum Frauenstreik

Am 1. Mai nahmen 16 000 Menschen am Umzug vom Helvetiaplatz bis zum Sechseläutenplatz teil – so viele Personen wie seit Jahren nicht mehr. Grund hierfür war neben dem guten Wetter wohl auch die Dringlichkeit des in einem Monat stattfindenden Frauenstreiks.

 

Milad Al-Rafu

 

Die zwei dominierenden gesellschaftspolitischen Themen der letzten Monate – Klimademos und Frauenstreik – waren auch am 1. Mai auf prominente Weise vertreten: Vor allem letzteres Thema war an allen Ecken und Enden des Umzuges anzutreffen. Wo man auch hinschaute, die Farbe violett dominierte. Mit Plakaten und Transparenten wurde gleicher Lohn und gleiche Rechte gefordert und sogar die feministische Revolution wurde ausgerufen. Doch am wichtigsten: Überall fand man Hinweise auf den 14. Juni 2019, dem Datum des zweiten schweizweiten Frauenstreiks. Besonders auffällig Werbung in dieser Sache machte ein bunt geschmückter Wagen der Frauen*streik Kollektive Zürich auf dem Sechseläutenplatz.

 

Frauenkämpfe
Auch das offizielle Motto des Umzuges lautete Frauenstreik 2019. So kritisierte denn auch Hauptrednerin Barbara Gsyi in ihrer Rede die immer noch bestehenden Lohnungleichheiten: «Durchschnittlich monatlich 1455 Franken oder 18,3 Prozent verdienen Frauen für die gleiche Arbeit weniger als ihre Kollegen. Das Erwerbseinkommen der Frauen ist um 108 Milliarden tiefer als dasjenige der Männer. Und sie leisten zwei Drittel der unbezahlten Care-Arbeit im Umfang von unglaublichen 400 Milliarden Franken. Das ist nicht akzeptierbar und muss sich endlich ändern.» Den Fokus legte Gysi bewusst auf die wirtschaftlichen Aspekte, da «echte Gleichheit nur möglich ist, wenn die ökonomische Ungleichheit beseitigt ist». In diesem Zusammenhang prangerte Gysi insbesondere die schlechte Entlöhnung und die fehlende Wertschätzung von Care-Arbeit an. Sie pochte dabei auf den politischen Willen, diese Ungerechtigkeit zu überwinden.

 

Streik als Druckmittel
Ganz in diesem Sinne machte Annie Raja von der Indischen Nationalen Frauenvereinigung und Führungsmitglied der Kommunistischen Partei Indiens (CPI) als zweite Hauptrednerin auf die politischen Kämpfe der Frauen in ihrem Heimatland aufmerksam. Anhand von zwei Beispielen aus der Textilindustrie und der Arbeit auf den Tee-Plantagen zeigte sie auf, wie weibliche Arbeiterinnen mittels Streiks bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen konnten. Raja plädierte dabei insbesondere dafür, dass neben der Klassenzugehörigkeit auch Fragen der «Rasse» und des Geschlechts beim Kampf für eine bessere Welt berücksichtigt werden müssen. Denn gerade die Machtverhältnisse, legitimiert durch patriarchale Strukturen, rassistische Unterscheidungen und Ansprüche basierend auf Klassenzugehörigkeit, würden vom Kapital genutzt, um Menschen auszubeuten.

 

Auf dem Kasernenareal widmeten sich die verschiedenen Veranstaltungen ebenso den weiblichen Kämpfen: Die Titel der Podien und Gespräche lauteten unter anderem: «Feministischer Streik als politischer Kampf», «Feministische Ökonomie», «Frauenkampf in Indien» und «Rojava: Die Revolution der Frauen». Auch die Fotoausstellung «Die Frauen dieser Welt» und der Film «Königinnen» zeigten feministische Perspektiven auf. Neben der Themensetzung Frauenstreik wurde an den Podien rege über Themen wie dem EU-Rahmenabkommen, dem Rosengartentunnel und der kolonialen Vergangenheit der Schweiz diskutiert.

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