Einst gab es im Jelmoli mehr Artikel zu kaufen, als die Stadt Zürich Einwohner:innen hatte.

«Au Bonheur des Dames»

Wie der heutige Kapitalismus dem ehemaligen Leuchtturm des Konsums den Garaus gemacht hatte, erzählt Sabine Gisiger in «Jelmoli – Biografie eines Warenhauses».

Dem Enkel des Firmengründers, des italienischen Migranten Giovanni Pietro Jelmoli, der sich mit der Geschäftseröffnung am Zürcher Münsterhof 1833 vom Tuchhandelsgeschäft seiner Schwiegereltern unabhängig machte und ein Stoff- und Konfektionsgeschäft mit dem Namen Jelmoli eröffnet hatte, war der Eintritt in die Familienfirma zuwider. «Es isch em eifach z’langwilig gsi», weiss dessen Enkelin Marianne Ernst zu berichten. Aber der kunstsinnige, weitreisende Franz Anton Jelmoli sammelte in Paris und Berlin Eindrücke und Erfahrungen der dortigen Neuerung von Warenhäusern und Grands Magasins und las Emile Zolas Roman «Au Bonheur des Dames», bevor er dann doch zum Grossunternehmer werden sollte. Während der Zuschüttung des Fröschengrabens in Zürich und der folgenden Etablierung der heutigen Bahnhofstrasse kaufte er mehrere ehemalige Wohnhäuser, liess sie abbrechen und errichtete an ihrer Stelle 1899 das grösste Warenhaus der Schweiz, einem eindrücklichen Gebäude aus Stahl und Glas. Zeitungen überschlugen sich in Lob: «So etwas wie Grossstädterstolz überkommt einen an einem solchen Ort.» Aber die Grands Maga­sins Jelmoli S.A. waren eine Aktiengesellschaft und viele der Ideen des der Sozialdemokratie zugeneigten Franz Anton Jelmoli missfielen sowohl dem Verwaltungsrat als auch dem Aktionariat. Er wollte das Personal in die Entscheidungsfindung einbinden, was den Gewinn respektive die Dividendenausschüttung geschmälert hätte. Erste Blätter fuhren Hetzkampagnen, der Hungerlohn der Verkäuferinnen würde «Krankheit, Armut und Prostitution» Vorschub leisten, unkte die NZZ. Der damalige Armenpfleger der Stadt Zürich widersprach vehement. Der Lohn der Verkäuferinnen betrage das Doppelte des üblichen Hungerlohns, sie erhielten ein bis zwei Wochen Ferien im Sommer und ein Personalarzt würde sich ihnen und ihrer Kinder annehmen. Sabine Gisiger geht bald auf die Wirkung der Halböffentlichkeit des integrierten Restaurants auf die Emanzipation der Frau ein, die sich dort, ohne ihren Ruf ramponieren zu müssen, ausserhalb ihrer eigenen vier Wände treffen und miteinander austauschen. 

Schweizerische Kreditanstalt

Nach dem Ersten Weltkrieg schloss Jelmoli einen sozialen Tarifvertrag mit den Angestellten, was den Verwaltungsrat «empört» hatte. Ein Jahr später nahm er seinen Hut, verkaufte seine Aktien und zog sich zurück. Als Käufer fand er den im Baumwollgrosshandel tätigen süddeutschen Juden W. Wolf & Söhne und den ebenfalls jüdischen Sigmund Jacob, der Direktor wird. Das sollte im Geist der aufkommenden Frontistenbegeisterung und gesteigerten Antisemitismus zum Problem werden. Zuvor noch glückte es Sigmund Jacob, die Schaufensterdekoration insbesondere zur Weihnachtszeit zu einem städtischen Ereignis werden zu lassen, und noch bevor der Bundesrat 1933 ein dezidiert antijüdisches Verbot zum Bau und der Erweiterung von Warenhäusern erliess, hatte er die Baubewilligung der Stadt Zürich in der Tasche und konnte den ersten (von zwei) Erweiterungsbauten realisieren. Die Stimmung verschärfte sich zusehends und während des Überfalls der Nationalsozialisten auf Polen entschloss er sich zur Flucht in die USA. Mit der Vermittlung der Schweizerischen Kreditanstalt fanden sowohl er wie auch W. Wolf & Söhne in Paul Ringier einen Käufer für ihre Anteile. Der damalige SKA-Banker Fritz Richner, sah hier – und später im Lausanner Warenhaus «Innovation» – seine Chance. Er unterbot die Verkaufsofferte um 15 Prozent bei einer Frist von 24 Stunden. Sich selbst setzte er in der Folge als Verwaltungsratspräsident und Direktor ein. Der Nachkriegsboom war ohne Vorbild. Sowohl der Versandhandel als auch die stationäre Expansion von Jelmoli überschwemmte die Schweiz mit Konsumgütern. Für grössere Anschaffungen wie Möbel oder Eisschränke wurde der «Miet-Kauf» eingeführt und sogar für Automobile bot Jelmoli Leasingkontrakte an. Es ging stets steil weiter aufwärts, bis die Schweizerische Kreditanstalt, die Jelmoli von Paul Ringier übernommen hatte, 1977 in Chiasso einen Bankenskandal mit 250 Millionen Franken veruntreuten Kundengeldern hinlegte und das Geschäft erneut abstossen musste. Ausgerechnet eine Abspaltung der Basler Missionsgesellschaft, die United Trading Company, übernahm und baute das Haus bis Ende der 1980er-Jahre zu einem regelrechten Gemischtwarenkonzern aus. Nach einer Zwischenepisode und dem Inhaber Walter Fust, der bis auf das Haupthaus alles abstiess, war es wiederum die Swiss Prime Site, ein Branch der ehemaligen SKA, bis kürzlich CS, die dem Warenhaus 2024 den endgültigen Todesstoss versetzte. Nicht etwa, weil Warenhäuser per se defizitär geworden wären, sondern weil mit Immobilien an sich ein exorbitant höherer Gewinn realisierbar war. Maus & Frères mit ihrem Manor übernehmen künftig das UG und die ersten beiden Geschosse – als Warenhaus.

«Jelmoli – Biografie eines Warenhauses» spielt im Filmpodium der Stadt Zürich.