- Kultur
Attitude
«All the world’s a stage», geht dem digitalisierten Allgemeinwissen gemäss auf William Shakespeare zurück, ist also keinesfalls speziell Ausdruck eines 1980er-Hedonismus noch dem Beautiful-People-Uniformitätszwang einer Socialmedia-Appearance. Neutral im Sinne von ergebnisoffen bilden die zahllosen involvierten Parameter einer Selbstdarstellung ein Vieleck: Von Fallstricken, Missinterpretationen und ganz banal nicht vollends ausreichender Eignung. Igor Urzelai Hernando und Moreno Solinas bauen für «Beat» ein regelrechtes Podest auf die Bühne, das vor einer textilen sich verjüngenden Flucht. Das Blendenweiss rückt den in einer Tanzperformance ohnehin alle Aufmerksamkeit auf sich vereinenden Auftritt einer Person bereits so nahe an einen Triumphmarsch, selbst wenn in diesem Fall die Tänzerin Margherita Elliot vielmehr zu Beginn so wirkt, als beträte sie heilige Hallen eines White-Cube zum allerersten mal überhaupt. Sie geniesst den Auftritt sichtlich, fühlt sich handkehrum aber auch ein wenig eingeschüchtert vor all den potenziellen Möglichkeiten dieser faktischen Leere. Zu Hilfe eilt ihr der Lichtdesigner Seht Rook Williams, der diesen Raum zu DJ Marthas sphärisch-hämmernden Klubmusik und damit jedwede Regung der Tänzerin in eine regelrechte Kunstinstallation verwandelt. Das Bewusstsein der eigenen Wirkmächtigkeit während dieses Auftritts wird für Margherita Elliot sichtlich zu einer immer weiterführend belastenden Verpflichtung in Richtung einer wieauchimmergearteten Perfektion. Reine Ausgelassenheit ist damit nicht herstellbar, wäre aber auch nicht das Kunststück, das hier in Realtime eine wahrlich turbulente Achterbahnfahrt von Emotionen und Gefühlszuständen aneinanderreiht. Mit ihren geschwärzten Zähnen und dem stets auf ihr Publikum fokussiert gerichteten Blick ist sie mal Sexpuppe, mal Armutszeugnis und weist über jedes Bewegungsrepertoire hinaus eine Hemmnis auf, herzlich gelöst lachen zu können.
«Beat», 24.11., Tanzfestival, Winterthur.