Atomausstieg mit Verfallsdatum

 

Die Mehrheit des Zürcher Gemeinderats will die Beteiligungen der Stadt an Atomkraftwerken bis spätestens 2034 verkaufen.

 

Den Ausstieg aus der Atomenergie bis zum Jahr 2034 hatten die Gemeinderatsfraktionen von SP, Grünen und GLP bereits 2011 (nach Fukushima) auf der Wunschliste, als sie zwei Motionen einreichten: Eine verlangte eine Übergangsbestimmung in der Gemeindeordnung, die regelt, dass der Ausstieg aus der Atomenergie und der Verzicht darauf, Atomstrom zu kaufen, bis 2034 Tatsache sein müssen. Die zweite forderte folgerichtig eine verbindliche Strategie für den Ausstieg bis zum Jahr 2034.

Der Stadtrat brachte daraufhin eine Vorlage mit dem Antrag, ihm den Verkauf der Beteiligungen des EWZ an Atomkraftwerken zu erlauben, da dies der einzige praktikable Weg sei, um den Ausstieg der Stadt Zürich vor dem Betriebsende der AKW zu realisieren. Der Gemeinderat lehnte die Vorlage im Oktober 2014 jedoch ab und verlangte eine neue, und um die ging es an der Gemeinderatssitzung vom letzten Mittwoch: Die Beteiligung der Stadt Zürich an AKW sowie der Bezug von Atomstrom sollen längstens bis zum Jahr 2034 zulässig sein. Kommissionssprecherin Helen Glaser (SP) stellte die Vorlage vor und fasste zusammen, der Stadtrat wolle keine Jahrzahl in der Gemeindeordnung. Er begründe dies in seiner Weisung unter anderem damit, dass dort bereits die 2000-Watt-Gesellschaft verankert sowie festgelegt sei, dass künftig auf Kernenergie verzichtet werde. Der Stadtrat argumentiere weiter, dass eine fixe Zahl das Risiko eines atomaren Unfalls nicht minimiere. Zudem liefen die AKW weiter, auch wenn die Stadt ihre Beteiligungen verkaufe. Es brauche somit erst ein fixes Ausstiegsdatum auf Bundesebene.

 

Verkauf bis 2034

Helen Glaser fuhr fort, die Mehrheit der Kommission halte am Ausstiegsdatum 2034 fest und beantrage eine Textänderung: Der Stadtrat soll, wie es in der 2014 verworfenen Vorlage vorgesehen war, dazu ermächtigt werden, die bestehenden Beteiligungen des EWZ an der Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG und der Aktiengesellschaft für Kernenergiebeteiligungen Luzern zu verkaufen.

Marcel Müller (FDP) erklärte, seine Fraktion wäre damit einverstanden gewesen, dass der Stadtrat die Beteiligungen verkaufen dürfe, doch sie sei gegen einen Verkauf bis 2034. Denn es mache aus heutiger Sicht keinen Sinn, auf die Produktion von Kernenergie zu verzichten, da es «noch keine annähernd so CO2-freie Bandenergie ausser der Kernenergie gibt». Aus ökonomischer Sicht sei ein Verkauf zudem heute schon schwierig, aber wenn es dafür ein fixes Datum gäbe, müsste der Stadtrat den Verkauf selbst dann durchziehen, wenn die Stadtkasse dabei einen grossen Verlust erlitte.

Für die AL führte Andreas Kirstein aus, seine Fraktion sei selbstverständlich für den Ausstieg und dafür, die AKW möglichst bald abzustellen, doch es brauche eine verbindliche Stilllegungsfrist auf Bundesebene. Mit einem Verkauf der städtischen Beteiligungen bis 2034 hörte jedoch die Verantwortung der Stadt nicht auf. Es sei deshalb besser, via Beteiligungen «Einfluss zu haben», denn ohne würden weder AKW schneller abgestellt noch weniger Atomstrom produziert, und auch die Risiken blieben. Kirstein gab weiter zu bedenken, mit den Beteiligungen sitze die Stadt «auf einem Asset, das unverkäuflich ist». Die Verkaufskompetenz auf den Stadtrat zu verschieben, sei folglich auch nicht nötig, ja sie wäre gar «ein fatales Signal». Aus all diesen Gründen werde sich die AL-Fraktion der Stimme enthalten.

Heinz Schatt (SVP) wiederholte mehrmals, Links-Grün funktioniere nach dem Motto «Mit dem Kopf durch die Wand» bzw. «Augen zu und durch». Die Motion sei unerfüllbar, denn ein vorzeitiger Verkauf der Beteiligungen sei schon deshalb nicht möglich, da der Preis wegen des fixen Datums bis 2034 «gegen Null sinkt», womit die Übung nur in einem «finanziellen Desaster» enden könne. Die Stadt müsse im übrigen ihre Verträge einhalten, «ob sie den Strom bezieht oder nicht». Kurz fasste sich Reto Rudolf (CVP): «Natürlich sind wir für den Ausstieg – aber nicht so.» Eine Jahrzahl gehöre nicht in die Gemeindeordnung. Ob man dieser «linken Zwängerei» stattgebe oder nicht, ändere nichts daran, dass auch nach 2034 Atomstrom aus der Steckdose komme. Markus Kunz (Grüne) hingegen betonte, es gelte nun, den Ausstieg, wie er bereits in der Gemeindeordnung verankert sei, zu konkretisieren, und dafür «gehört ein Datum rein». Und er fragte in die Runde, warum wir wohl aus dieser Technologie rausmüssten für teures Geld, obwohl sie ja angeblich völlig unbedenklich sei? Daran seien die Grünen jedenfalls nicht schuld, schloss er. Für Martin Luchsinger (GLP) setzte die Stadt mit dem Verkauf ein Zeichen und mache sich «endlich auf den Weg».

Der Stadtrat sei mit der geänderten Vorlage einverstanden, gab der Vorsteher der Industriellen Betriebe, Andres Türler, bekannt. Dies, weil die darin enthaltene Möglichkeit des Verkaufs durch den Stadtrat den Nachteil der fixen Jahrzahl überwiege. Mit 64:47 Stimmen bei 9 Enthaltungen überwies der Gemeinderat die geänderte Motion. Sie geht nun an die Redaktionskommission; das letzte Wort haben die Stimmberechtigten an der Urne.

 

Tram 1 aufgleisen

Zu einer Motion von Hans Jörg Käppeli (SP) und Guido Trevisan betreffend «Erarbeitung eines Konzeptentscheids für eine neue Tramlinie vom Bahnhof Altstetten in den Raum Hauptbahnhof unter hälftiger Beteiligung des ZVV» lag ein Rückweisungsantrag der Kommissionsminderheit aus SP, Grünen und GLP vor: Sie forderten eine neue Weisung, und zwar für die Erarbeitung eines Vorprojekts. Ein solches brauche es nicht, befand Markus Hungerbühler (CVP): Zum jetzigen Zeitpunkt sei das Tram «nicht nötig», und vor allem fehle die Kostenbeteiligung von Bund und Kanton, womit es die Stadt selber zahlen müsste.

Das sah Hans Jörg Käppeli natürlich anders: Den 31er-Bus müsse man «sobald als möglich» durch ein Tram ersetzen, befand er. Der Stadtrat wolle die Motion jedoch nicht umsetzen – unter anderem, weil er den Motionären unterstelle, sie verlangten einen Objektkredit. Das sei falsch; es gehe lediglich darum, die Planung jetzt an die Hand zu nehmen, und dafür reiche ein Vorprojekt für zirka vier bis acht Millionen Franken. Nach engagierter Debatte kam der Rückweisungsantrag mit 64:56 Stimmen durch.

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