Assoziativ

Digitalkünstler Yves Netzhammer verhandelt das Dasein nach einer Traumlogik.

Der Kinosaal absorbiert sämtliche Aufmerksamkeit, indem er sie sowohl optisch wie akustisch wie emotional allein in Richtung Leinwand zwingt. So ist «Reise der Schatten», eine mit neunzig Minuten jeden musealen Kontext sprengende Arbeit von Yves Netzhammer, im Kino am richtigen Ort, um ihre Wirkung zu entfalten. Die sich höchstens einer Traumlogik, nicht einer primären Wahrscheinlichkeit oder gar einer nacherzählbaren Narration entlang entwickelnde kontinuierliche Neuformung von Räumlichkeit und Figürlichkeit verlangt vom Publikum die aktive Bereitschaft, sich darauf einzulassen und dem Künstler einen Vertrauensvorschuss zu gewähren, dass er in dieser poetisch-fantastischen, humanistisch-effizienzkritischen Daseinsentwicklungserzählung schon zu einem in sich stimmigen ergo nachvollziehbaren Ende finden würde. Geduld, tut er. Die menschliche Evolution, unabhängig davon, ob vom Affen abstammend oder aus Lehm geformt, führt ein figürliches Wesen über kurz oder lang zu körperlichen Bedürfnissen nach zwischenmenschlicher Nähe, die in ihrer grössten Innigkeit ihren eigentlichen Kipppunkt findet. Das Bewusstsein für und die Sehnsucht nach einer nachgerade biblisch-paradiesischen Erdenbeschaffenheit und der damit zwingend einhergehenden Ursprünglichkeit der alleinigen Hoheit von Urinstinkten und -bedürfnissen spielen im allgemein Menschlichen einem Entwicklungs- und Entdeckungstrieb entgegen, was in ein Paradox führt und die Ungeduld nährt. Nicht allein im Sinn von Zwang, sondern vielleicht mehr im Sinn einer Inkongruenz zwischen wünschen wollen und sich diesem in aller Konsequenz zufriedenstellend hingeben können. Insofern ist «Reise der Schatten» auch eine Art Abbild der kaum abschliessend befriedigend zu bewältigenden Vereinbarkeit von demütiger Selbstbescheidung, also gerade dem Nichtwollen, und dem zeitgleichen Widerstehen all der vielfältigen Verlockungen auf einem darum holprigen Weg dahin.

«Reise der Schatten» spielt im Kino RiffRaff.