- Im Kino
Aneignung
Der Nachhall von «E.1027» ist überaus verstörend, wenngleich leider überhaupt nicht neu. Beatrice Minger und Christoph Schaub rekonstruieren den Verlauf eines Konflikts zwischen Eileen Grey (1878-1976) und Le Corbusier (1887-1965) mit der erklärten Absicht einer Ehrenrettung der schöpferischen Einzigartigkeit und Pionierhaftigkeit ihres Arbeiten in Kunsthandwerk, Möbeldesign und Architektur. Doch an Stelle einer Begeisterung für sie und eines mehrenden Wissens über sie und ihr Werk drängt sich durch die Reibung der streitbaren Aneignung des Hauses am Meer durch Le Corbusiers ungefragter nachträglicher Anbringung von Wandfresken und der in der Folge stolzen Präsentation dieses – seiner Meinung nach jetzt komplettierten – Gesamtwerks als sein Werk, letztlich wiederum der Mann und seine Wirkung in den Vordergrund. Selbst wenn das Handeln Le Corbusiers aus einer ex-negativo-Perspektive im Film verhandelt wird, drängt das hauptsächlich auf ihn geworfene Scheinwerferlicht Eileen Grey, ihre Wirkmacht, ihre Brillanz erneut an den Rand und in den Schatten, anstelle ihn einer Beiläufigkeit zu unterwerfen und ihr das Hauptaugenmerk zu schenken. Und das ist eben schade. Die digitale Entfernung der Wandgemälde mit dem Ziel einer Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, und seis bloss virtuell, ist als in der Realität nicht mehr wiederherstellbarer Akt natürlich eine vorzügliche Idee, aber insgesamt auch ein schwacher Trost, dass die Rekonstruktion dieser erstmaligen Aneignung ihres privaten, persönlichen Refugiums und ihres architekturhistorisch ikonografischen Baus streng genommen bloss zu einer erneuten Übergehung von Eileen Grey führt. Eine Pionierin aus ihrer Vergessenheit endlich wieder in das ihr gebührende Licht führen zu wollen, müsste doch als Plan ausreichen können, um darüber eine Begeisterung für die Person, ihre Ideen und Arbeiten herbeiführen zu können, die erstaunt und elektrisiert. Eine wahre Ode eben.
«E.1027» spielt im Kino RiffRaff.