- Gedanken zur Woche
Alles wird besser?
Ich war bis vor Kurzem im Glauben, dass ich zwar kein Digital native aber nicht die dümmste anzunehmende Anwenderin bin. Also doch einigermassen fix mit digitalen Geräten. Und doch häufen sich auch bei mir die Fälle, bei denen mich die Technik überfordert. Mein Kochherd beispielsweise, dessen Touchscreen völlig überempfindlich ist und beim kleinsten Spritzerchen Wasser in lautes Gepiepe ausbricht. Immerhin kann ich ihn an- und abschalten. Ich war letzthin bei Freunden zu Gast und wollte dort im Backofen etwas aufwärmen, woran ich scheiterte. Nun gab es früher doch eine relativ einfache Bedienung, nämlich mit Knöpfen, die man drehen konnte und die für jede:n sofort intuitiv verständlich war. Jetzt ist es ohne Bedienungsanleitung nicht mehr möglich, einen simplen Backofen zu bedienen.
Ein anderes Beispiel: Da hatte ich doch meinen Laptop beschädigt und musste ihn einschicken. Eine Woche später beschied mir eine automatisierte E-Mail, dass der Schaden nicht durch die Garantie abgedeckt sei und mir daher das Gerät unrepariert zurückgeschickt werde. Das fand ich natürlich nicht wahnsinnig befriedigend. Das Gerät könnte ja auch kostenpflichtig repariert werden. Der Link in der E-Mail für weitere Fragen leitete mich allerdings nicht dahin, wo ich eine Offertenanfrage für die Reparatur hätte stellen können, sondern auf eine allgemeine Supportseite, wo es zu allem Möglichen Informationen gab, nur nicht zu jener Frage, die mich gerade beschäftigte, und schon gar keine Kontaktmöglichkeit. Irgendwann fand ich doch noch eine Möglichkeit zu kommunizieren und zwar mittels Chat. Worauf ich feststellen durfte, dass eine Chatwarteschlaufe es genauso in sich hat wie eine Telefonwarteschlaufe. Nur ohne beruhigende Liftmusik. Aber immerhin: Eine gefühlte Stunde später kam ich mit Person oder Bot Nummer drei einen Schritt weiter. Es ist vermutlich auch gut, dass ich mindestens unsicher war, ob es sich um einen Menschen oder einen Bot handelte, sonst wäre ich wohl einiges unhöflicher geworden. Mensch/Bot drei schrieb mir also, er werde sich um mein Problem kümmern. Am nächsten Tag kam eine automatisierte Meldung, dass mein Notebook jetzt unrepariert verschickt wurde. Mensch/Bot drei informiert mich einen Tag später per E-Mail, ich müsse das Notebook wieder einschicken und einen neuen Reparaturauftrag starten. Wie viel einfacher wäre es da, in einen Laden gehen und mit einem Menschen sprechen zu können.
Ich könnte noch unzählige weitere Beispiele nennen, in denen ich entweder überfordert war oder die vermeintliche Effizienzsteigerung durch die Digitalisierung sich in Mehrarbeit verwandelt (hallo Kalendersynchronisation!). Oder Beispiele dafür, wie funktionierende Programme nicht besser, sondern schlechter wurden. Sprich: Auch wenn wir täglich von künstlicher Intelligenz, ja von Superintelligenz lesen und über die grossen Möglichkeiten, die durch diesen technologischen Fortschritt geschaffen werden, kann man im alltäglichen Leben immer wieder erleben, dass vermeintlich einfache Dinge nur mässig gut funktionieren. Zum Beispiel E-Mail: Das ist eigentlich eine gute und praktische Erfindung. Nur ist man durch unzählige sinnlose E-Mails soweit geflutet, dass man kaum mehr Zeit hat, die sinnvollen zu lesen. Und dabei geht es nicht mal um Spam, der zwar auch ärgerlich ist. Sondern um die zig Newsletter, die man durch irgendeinen Online-Kauf oder eine Registrierung bei einem Newsmedium (und ja, die Politik ist auch nicht ohne) plötzlich abonniert hat, und wo man kaum nachkommt damit, diese wieder abzubestellen.
Nun denkt man sich dann manchmal, man sei vielleicht einfach zu alt und falle aus der Zeit. Es liegt aber nicht an mir, so die beruhigende Nachricht des Techjournalisten Ed Zitron. Das Beunruhigende: Es hat System. Das sei, so Zitron, keine Verschwörung der Techindustrie, sondern einfach die Konsequenz von Entscheidungen, die nur auf einer kurzfristigen Gewinn- und Wachstumsmaximierung ausgerichtet ist. «Entshitification» nennt der kanadische Autor Cory Doctorow die Entwicklung von Plattformen. Dabei gäbe es vier Phasen: «Zuerst wird den Nutzer:innen durch die Plattformen etwas angeboten, das diese mögen. Dann würden die Nutzer:innen missbraucht, um die Werbekunden anzuziehen. Und dann, zum Schluss würden auch diese ausgebeutet, um auch noch das letzte Quentchen Profit hinauszuziehen. Am Schluss stirbt die Plattform.» Beispiele für diese «Entshitifizierungs-These» gibt es zuhauf: Steigende Preise bei sinkender Qualität, vormals Gratisfunktionen, die plötzlich kostenpflichtig werden. Eine zunehmende Werbeflut und Produkte, die ständig ein Update benötigen. Der Grund: Unfertige Produkte, die zu früh auf den Markt gebracht wurden, wie Raphael Diebold in der Computerzeitschrift ‹Chip› schreibt.
Auch digitale Produkte können nachhaltiger konsumiert werden, indem man beispielsweise auf alternative Plattformen setzt, die datenschutzfreundlicher sind wie beispielsweise Mastodon oder Bluesky statt Twitter, Open Source-Lösungen wie beispielsweise Signal statt Whatsapp (einfach keine Journalisten zu Geheimplan-Besprechungen einladen …), heimische und ethische Clouds wie Infomaniak statt Google, nachhaltig produzierte Produkte oder nicht gewinnorientierte Initiativen unterstützen. Nur: Alles auf die Verantwortung der Konsument:innen zu schieben funktioniert weder im digitalen noch im analogen Leben. Natürlich kann und soll man auch digital bewusster konsumieren, aber das entbindet die Politik nicht davon, Regeln zu erstellen, die sicherstellen, dass man als Konsumierende dem Shit nicht hilflos ausgeliefert wird.
Die Plattformregulierung der Europäischen Union steht im Zentrum der Auseinandersetzung mit der Trump-Administration, das hat die Rede von Vizepräsident J.D. Vance in München klar aufgezeigt. Den Broligarchen rund um Trump passen diese Regeln nicht. Die Redefreiheit ist dabei allerdings nur vorgeschoben, das veranschaulicht beispielsweise die Sperre von türkischen Oppositionellen auf X jüngst wieder. Es geht dabei um knallharte Geschäftsinteressen. Teilweise kann man aber auch beobachten, wie sich die Tech-Oligarchen wie Musk, Zuckerberg und Co. reihenweise durch ihre eigenen Algorithmen selbst radikalisieren (Drogendealer sollten eigentlich wissen, dass sie den eigenen Stoff nicht konsumieren sollten). Und die Schweiz wird sich entscheiden müssen, auf welche Seite sie sich schlagen will. Der Bundesrat hat die angekündigte Plattformregulierung immer wieder verschoben, obwohl er einst angekündigt hat, er wolle sich dabei an europäischem Recht orientieren. Was davon noch übrig bleibt, wird man sehen. Es wäre aber nicht erstaunlich, wenn er sich auch hier einmal mehr auf die falsche Seite der Geschichte stellen würde.