Ätzend

Wenn schon der Film eine Zumutung ist, wie zersetzend muss die Realität sein.

Kunst ist Widerstand, Irritation, Denkanstoss. Im Idealfall. Nadav Lapid hingegen beschreibt die zum Bersten angespannte Orientierungslosigkeit eines Künstlerpaares nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023. Der dekadente Zynismus des Geldadels verwandelt die kriegerische Rachefantasie darüber in eine opulente und obszöne Groteske einer Endlossiegesfeier. Bedenken und Einwände werden davon rücksichtslos überrollt, weshalb sich Y (Ariel Bronz) und Jasmine (Efrat Dor) gezwungen sehen, sich einzureden, mittels nochmaliger Übersteigerung der Absurdität der Gemengelage vielleicht doch einen Unterschied machen zu können. Aber die Realsatire ist behender als jede intellektuelle Bearbeitung davon, weshalb die ursächliche Gegenwehr in einen vorauseilenden Gehorsam zu kippen droht. Anstelle sich den Kopf darüber zu zermartern, dass gerade alles schief läuft und die wirkmächtigste Bevölkerungsschicht das Narrativ verbreitet, das sich alle Nackenhaare im Akkord sträuben lässt, also in Ohnmacht zu erstarren, unternimmt das Paar beinahe schon im Sinne eines Stockholm-Syndroms als Versuch eines letzten Zuckens den beherzten Anlauf, die grassierende Einbahneuphorie aktiv zu antizipieren. Sie werden in ihrer Bejahung des Selbstzerstörungstriebs dermassen sich selbst überzeugend, dass sie ihrem Neugeborenen das Lebensglück als freudige komplette Unterwerfung verkünden. In ihrer kolossalen Selbstentfremdung ereifern sie sich zur Teilnahme eines Musikwettbewerbs für eine heroische Kriegsgewinnlerhymne, die ein Oligarch ausgelobt hat und beobachten dafür von einer Anhöhe herunter das Bombardement Gazas, das sie als irgendwo zwischen Computerspiel und Feuerwerk verkennen und sich schönreden. Ihr geistiger und körperlicher Zerfall derweil wird immer deutlicher manifest, hat aber ohne intellektuellen oder emotionalen Sukkurs des Trägerkörpers kaum mehr Aussicht darauf, als Warnsignal bis in die Schaltzentrale Hirn überhaupt vorzudringen.

«Yes» spielt im Kino RiffRaff.