- Im Kino
Abstriche
1980 genügten noch rot lackierte Fussnägel, damit Adam (Mateusz Wieclawek) nicht in die Armee eingezogen wird. Dass dahinter mehr als ein Spleen stecken könnte, vermutet niemand. Als Adam später Iza (Joanna Kulig) heiratet und eine Familie gründet, beschleicht sie die Vermutung, er könne homosexuelle Neigungen verspüren. Malgorzata Szumowska und Michal Englert erzählen mit «Woman of…» eine im Grund positiv konnotierte Entwicklung, was es ihnen ermöglicht, die realen Erschwernisse einer Transition wenngleich pittoresk angehaucht, doch recht ungeschminkt zu zeigen. Meist getreu dem Mechanismus von ein Schritt vor, zwei Schritte zurück. Früh stibitzt Adam die Hormonpräparate der Oma, sein vom Arzt verschriebenes Testosteron verkauft er einem Gewichtheber. Der Arzt erkennt die Notlüge und vermittelt psychologischen wie juristischen Beistand. Eine Transition ist nur möglich nach einer Ehescheidung und einer gerichtlichen Klage gegen die eigenen Eltern. Klandestine Selbsthilfegruppen scheinen zu existieren, das Verständnis und die Bereitschaft vonseiten Medizin scheint ebenso aufgeklärt wie pragmatisch zu sein. Die äusserliche Veränderung – hauptsächlich durch die Doppelbesetzung mit Malgorzata Hajewska als Aniela – wirkt zuerst viel zu einschneidend, als dass sie nicht wahrgenommen werden könnte. Verblüffend wirkt, wie unbekümmert das kleinstädtische Umfeld auf die Veränderung reagiert. Die emotionale Anziehung alias tiefes Liebesempfinden vonseiten Iza zeigt sich nach einer mehrjährigen Trennung von Tisch und Bett als die zentrale tragende Stütze. Die zuerst wie Hilfe ausschauende Unterstützung des Bruders zeigt sich bei Licht betrachtet als ausnehmend egoistisch bis tendenziell rachsüchtige Selbstbereicherung. Ein Sexualleben indes wird, genauso wie ein berufliches Fortkommen, für Aniela zu einer reinen Inkaufnahme von misslichen Begleiterscheinungen, um darüber die zur Hauptsache zentrale Lebensveränderung leben zu können. Der Film verfolgt eine klare Botschaft: Gegen innen, der trans-Community in Polen Mut zusprechen, gegen aussen, der Welt aufzeigen, wie ignorant der Staat der trans-Thematik gegenübersteht. Im Spital trifft Aniela auf eine sehr viel jüngere Generation von trans Personen, die im Leben und in ihrer Transition ganz woanders als sie selbst stehen. Der bereits Bestand gehabt habende zwischenmenschliche emotionale Halt kann diesem Film gemäss den Wandel vom Kommunismus in den Kapitalismus, mit einigen Abstrichen und Dellen zwar, ziemlich gut überstanden haben.
«Woman of…» spielt im Kino Piccadilly.