«5 Prozent sind für Kleine zu viel»

Bis zu den Stadtratswahlen vom 4. März 2018 befragen wir an dieser Stelle die amtierenden StadträtInnen und die neu Kandidierenden zu einem aktuellen Thema. Den Schlusspunkt setzt die Krippenleiterin und ehemalige Gemeinderätin Claudia Rabelbauer (EVP) zu demokratiepolitischen Fragen, gestellt von Nicole Soland.

 

Kürzlich hat die gemeinderätliche Kommission die Volksinitiative «Mehr Geld für Zürich: 7 statt 9 Stadträtinnen und -räte» fertig behandelt; eine knappe Mehrheit empfiehlt sie zur Ablehnung. Was halten Sie von dieser Initiative?

Claudia Rabelbauer: Ich lehne die Initiative ab, denn ich glaube nicht, dass sich rein durch die Reduktion um zwei Sitze grosse Einsparungen ergäben. Die Departemente muss man ja trotzdem leiten und die damit verbundenen Aufgaben erledigen. Zudem finde ich es persönlich nicht schlecht, wenn sich jemand auf eine Sache konzentrieren kann, statt vier gleichzeitig erledigen zu müssen. Aus meiner Sicht hat sich das jetzige System bewährt und braucht nicht geändert zu werden.

 

Und VertreterInnen kleiner Parteien wie etwa die EVP hätten es nach einer Sitzreduktion noch schwerer…

Natürlich bin ich auch aus persönlich-politischen Gründen gegen die Initiative, denn von mehr Sitzen profitieren die kleinen Parteien.

 

Die Bürgerlichen argumentieren unter anderem damit, weniger Stadträtinnen und Stadträte bedeuteten auch eine effizientere und günstigere Verwaltung: Ist das für Sie kein Thema?

Doch, aber dafür braucht es keine Reduktion der Anzahl Sitze in der Exekutive: Deren Effizienz zu überprüfen und den verantwortungsvollen Einsatz der Mittel zu gewährleisten, ist ein permanenter Auftrag, den der Stadtrat so oder so wahrzunehmen hat. Kommt hinzu, dass nicht nur der Stadtrat Sparpotenzial erkennen und ausschöpfen muss, sondern auch das Parlament, wenn es immer mehr Dienstleistungen fordert. Es stehen also im aktuellen System schon alle permanent in der Pflicht, sich zu überlegen, was wirklich nötig ist und was bloss wünschenswert.

 

Weniger Stadtratssitze würden nicht nur Geld sparen, sondern auch Synergien schaffen, sagen die BefürworterInnen und schlagen beispielsweise ein einziges Departement für Hoch- und Tiefbau oder eines für Stadtpolizei und VBZ vor.

Die Synergien, die es im Bezug auf Schnittstellen geben mag, werden wahrscheinlich gleich wieder ‹aufgefressen›, weil die Departemente teilweise dennoch wieder gegensätzliche Ziele verfolgen. Es braucht folglich trotzdem Absprachen mit verschiedensten Dienstabteilungen.

 

Deren Anzahl könnte man, dieser Logik folgend, auch reduzieren.

Mag sein – aber weshalb sollten wir das tun? Wir profitieren in der Schweiz von hohem Wohlstand und hohen Standards bei der Infrastruktur. Warum sollten wir diese abbauen? Zumal die Privaten das nicht einfach übernehmen und in die Bresche springen könnten. Marktwirtschaft ist dort gut, wo es einen Markt gibt. Aber den Wohnungsmarkt etwa gibt es nicht, denn der Boden ist begrenzt.

 

Die Bürgerlichen könnten sich vorstellen, Dienstabteilungen zu privatisieren, das EWZ beispielsweise oder die VBZ.

Für mich muss der Service public, muss alles, was wir an Dienstleistungen anbieten, allen zugänglich sein. Es geht nicht an, dass sich kleine Einkommen gewisse Dienstleistungen nicht mehr leisten können. Bei Privaten jedoch zählt immer der Gewinn, und sie müssen ihre Aktionäre befriedigen.

 

Sie betreiben private Kinderkrippen – auch das nicht unbedingt ein Gebiet, das man spontan als Markt identifizieren würde.

Stimmt, es gibt nicht wirklich einen Markt, denn dafür sind die Auflagen der Stadt zu hoch, und zudem sind sie für alle gleich. Die Stadt diktiert via subventionierte Plätze auch ein Stück weit den Preis, viel Wettbewerb ist da nicht möglich. Bei Kinderkrippen steht aber ohnehin die Frage nach Auftrag und Qualität des Angebots im Vordergrund. Ich finde es gut, dass die Stadt hier pragmatisch mit Privaten zusammenarbeitet. Würden die Krippen dem Markt überlassen, würde dasselbe passieren, was beim Markt immer passiert – nur grosse Ketten würden überleben. Das wäre das Ende von Vielfalt und kleinen, individuellen Angeboten. Heute hingegen haben die Eltern die Wahl, und das finde ich gut.

 

Die Stimmberechtigten haben am 4. März auch die Wahl, doch wegen der 5-Prozent-Klausel landen Stimmen für kleine Parteien unter Umständen im Abfallkübel.

Ja, und es wird für uns auch dieses Jahr wieder sehr knapp, denn es zeichnet sich eine hohe Wahlbeteiligung ab, was bedeutet, dass wir in absoluten Zahlen etliche Stimmen mehr brauchen dürften als letztes Mal, um die 5-Prozent-Hürde zu schaffen. Ich persönlich bedauere es, dass bei uns Wahlen und Abstimmungen zusammengelegt werden. Das ist nicht überall so; verschiedene Gemeinden halten ihre Wahlen erst im April ab. Denn mit Abstimmungen kann man nun mal den Ausgang von Wahlen mitbeeinflussen.

 

Auf welche Seite, ist allerdings offen.

Bei der Masseneinwanderungsinitiative war es klar, am 4. März ist das Rennen eher offen. Doch ein gewisser Einfluss ist nicht wegzureden, und die fünf Prozent sind für die Kleinen einfach zu viel. Ich sehe nicht ein, weshalb sich vor ein paar Jahren bei der Abstimmung über die Volksinitiative zur Abschaffung der 5-Prozent-Hürde nicht wenigstens die SP auf unsere Seite schlug.

 

Nehmen wir mal an, Sie werden als Vertreterin einer Kleinstpartei Stadträtin, während es die grössere GLP nicht in die Exekutive schafft: Demokratiepolitisch gesehen wäre das doch nicht ideal.

Stadtratswahlen sind immer auch Persönlichkeitswahlen. Wer mich wählt, sieht in mir die Persönlichkeit, die Führungserfahrung mitbringt und durchaus fähig ist, ein Departement wie beispielsweise das Schul- und Sportdepartement, das Sozialdepartement oder das Gesundheitsdepartement zu leiten. Auf dem Land etwa ist es immer öfter der Fall, dass Parteilose in Exekutivämter gewählt werden, weil ihnen die Menschen im Dorf zutrauen, ihr Amt gut zu führen und politisches Fingerspitzengefühl zu entwickeln. Hier wäre ich als Vertreterin der kleinen EVP im Vorteil: Ich kann mit Links und Rechts zusammenarbeiten, um Mehrheiten zu generieren.

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